Schon heute in das Schulsystem investieren
Speeddating auf der LGS in Lahr brachte einige Erfolge
Ortenau (st/an). Steffen Auer, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, hat sich auf Anfrage der Stadtanzeiger-Redaktion unter anderem dazu geäußert, warum es heute für Unternehmen schwieriger ist, Fachkräfte zu finden, als vor zehn Jahren.
Das Thema Fachkräftemangel ist in aller Munde. Sehen Sie darin wirklich ein Defizit an qualifizierten Arbeitnehmern oder liegt einfach nur ein Mangel an Arbeitskräften vor?
Es gibt eindeutig ein Defizit an qualifizierten Arbeitnehmern und dies wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Laut unseren Schätzungen werden im Jahr 2030 rund 2.000 Akademiker in der Region fehlen. Bei den beruflich Qualifizierten wird der Mangel bis dahin sogar bei zirka 42.000 liegen. Aber das Problem ist schon heute da: Laut einer Umfrage im Sommer unter unseren Mitgliedern ist der Risikofaktor Nummer 1 für Unternehmen der Fachkräftemangel. Zwei Drittel der Betriebe gaben an, von ihm betroffen zu sein – mehr als doppelt so viele, wie vor fünf Jahren.
Mit Blick auf die Digitalisierung muss man auch sagen, dass beruflich Qualifizierte und Akademiker in Zukunft noch stärker gefragt sein werden als noch vor wenigen Jahren. Eine schlechte Situation für An- und Ungelernte. Auch deshalb raten wir immer zur Weiterbildung – und tun auch etwas dafür Um den Fachkräftemangel zu lösen, bedarf es mehrerer Dinge: Wir müssen in unser Schulsystem investieren, um die Fachkräfte von morgen schon heute auszubilden. Und auch die heutigen Mitarbeiter müssen, weitergebildet und umgeschult werden, damit sie neue Themen wie beispielweise die Digitalisierung erfolgreich meistern können. Ganz wichtig ist jedoch die Unterstützung der Politik: Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, das es erlaubt, qualifizierte Fachkräfte ins Land zu holen. Ohne dies werden wir den Fachkräftemangel nicht beseitigen.
Warum ist es heute für Unternehmen schwieriger, Fachkräfte zu finden, als vor zehn Jahren?
Haupttreiber des Fachkräftemangels ist sicher der demografische Wandel, der heute stärker ausfällt als vor zehn Jahren. Genauso wie die Tatsache, dass immer mehr junge Leute Abitur machen und einen Hochschulabschluss anstreben. In den kommenden Jahren wird ein beträchtlicher Teil der Belegschaft, die sogenannten Babyboomer, aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Demgegenüber wird die Zahl der in den Arbeitsmarkt Eintretenden immer geringer.
Die Folge ist ein stetig wachsendes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Fachkräftemarkt. Bis 2030, so unsere Schätzung, ist mit einem Rückgang des Fachkräfteangebots in unserer Region von etwa 19 Prozent zu rechnen. Am südlichen Oberrhein kam zuletzt auch noch die überaus positive wirtschaftliche Entwicklung hinzu, die einfach mehr Arbeitskräfte fordert.
Wie unterstützt die IHK Südlicher Oberrhein konkret ihre Mitglieder?
Wir unterstützen unsere Unternehmen bei der Einstellung von Flüchtlingen mit unseren beiden sogenannten Flüchtlingskümmerern. Dann versuchen wir über verschiedene Wege, Fachkräfte aus Frankreich zu locken: Sei es mit dem Gemeinschaftsstand auf dem „Salon Régional Formation Emploi“ in Colmar oder anderen französischen Messen, als Ko-Finanzierer beim grenzüberschreitenden InterReg-Projekt „Erfolg ohne Grenzen“, als Entwickler und Finanzierer einer zweisprachigen grenzüberschreitenden Lehrstellenbörse oder durch grenzüberschreitende Bildungspartnerschaften zwischen Ausbildungsbetrieben und Schulen. Dann gibt es das Projekt „Unternehmer machen Schule“, bei dem unsere Unternehmer in die Schulen gehen und die Jugendlichen Wirtschaft aus erster Hand kennenlernen. Natürlich haben wir auch Studienzweifler und Studienabbrecher im Blick, denen wir die Karriere dank Lehre schmackhaft machen.
Ebenso schauen wir auf Un- und Angelernte: Zusammen mit der Agentur für Arbeit Offenburg und dem IHK-BildungsZentrum Südlicher Oberrhein haben wir ein Projekt entwickelt, das aus dieser Gruppe Fachkräfte mit IHK-Zeugnis macht. Wir sind da in sehr vielen Bereichen aktiv und haben auch immer wieder neue Ideen, beispielsweise haben wir auf der Landesgartenschau in Lahr ein Speeddating organisiert. 32 Betriebe haben hier Anfang Mai Azubis gesucht. Einige Ausbildungsverträge sind durch diesen Termin unterschrieben worden.
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