Gemeinsame Aktion der IHK und Arbeitsagentur
Un- und angelernte Mitarbeiter nachqualifizieren
Ortenau (st). Für Unternehmen in der Region ist der Risikofaktor Nummer eins der Fachkräftemangel, heißt es in einer Presseinformation der IHK Südlicher Oberrhein. Sechs Unternehmen aus der Ortenau gehen dieses Problem nun an, indem sie un- und angelernte Mitarbeiter nachqualifizieren. Unterstützt werden sie dabei von der Agentur für Arbeit Offenburg, der IHK Südlicher Oberrhein und dem IHK-Bildungs-Zentrum Südlicher Oberrhein.
In der Ortenau gibt es laut Horst Sahrbacher mehr als 176.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Ein Zuwachs von 17 Prozent in den vergangenen neun Jahren. „Heute sind wir in der Region nahe an der Vollbeschäftigung“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Offenburg. Der Markt der Fachkräfte ist leergefegt und die etwa 61.000 Arbeitskräfte, die in den kommenden Jahren aus Altergründen ausscheiden, zu ersetzen, wird damit zu einem schwierigen Unterfangen. Sahrbacher: „Warum also nicht das Potenzial nutzen, das da ist?“ Immerhin sind 25.000 der 176.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Abschluss.
Beim Druckhaus Kaufmann, bei Galvanoform und Schwarzwald Eisenhandel in Lahr, bei Neugart in Kippenheim sowie bei Tesa und Hydro Extrusion in Offenburg sind einige dieser Personen ohne Abschluss beschäftigt. Zwölf von ihnen haben seit einigen Tagen ein IHK-Zeugnis als „Maschinen- und Anlagenführer“ in der Tasche.
2016 ging Horst Sahrbacher auf IHK-Präsident und Schwarzwald Eisenhandel Geschäftsführer Dr. Steffen Auer zu und das Projekt kam ins Rollen. Sahrbacher: „Wichtig dabei war das IHK-Bildungs-Zentrum Südlicher Oberrhein als Partner bei der Durchführung.“
Roswitha Mühl, die Leiterin der Einrichtung, einer hundertprozentigen Tochter der IHK Südlicher Oberrhein, kümmerte sich um die Konzeption der Nachqualifizierung. Mühl: „Der Lehrgang verteilt sich auf vier Module, durchgeführt in elf Blockwochen innerhalb eines Jahres.“ Das Innovative an der Maßnahme ist dabei, dass die inhaltliche Ausrichtung nah am Bedarf der sechs beteiligten Unternehmen liegt. Gleichzeitig muss der Unterricht den Anforderungen der Abschlussprüfungen gerecht werden. Denn alle zwölf Absolventen haben die Nachqualifizierung mit einer IHK-Prüfung beendet und halten nun ein IHK-Zeugnis in den Händen wie jeder andere Maschinen- und Anlagenführer auch.
Dass die IHK-Ausbildung durch Aktionen wie diese verwässert wird, widerlegt Andreas Kempff, Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein. „Alle zwölf Absolventen mussten als Voraussetzung für ihre Teilnahme mindestens viereinhalb Jahre Berufserfahrung als Hilfskraft im Bereich Maschinen- und Anlagenführer vorweisen. Mit dieser langen Zeit der Praxiserfahrung zusätzlich zu den Qualifizierungsmodulen ist der Abschluss gleichwertig mit dem üblichen Ausbildungsweg.“
Finanziert wird das Projekt durch das Programm „WeGebAU“ der Agentur für Arbeit Offenburg. "WeGebAU" bedeutet „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Arbeitnehmer in Unternehmen“. „150.000 Euro haben wir investiert“, sagt Sahrbacher konkret. Mit dem Geld hat die Agentur die Lehrgangsgebühren sowie 75 Prozent der Lohnkosten der Teilnehmer während der Schulungszeit getragen, den Rest sowie den personellen Ersatz übernahmen die Betriebe selbst.
Geschäftsführer Markus Kaufmann vom Druckhaus Kaufmann gesteht ganz offen, dass er anfangs Vorbehalte hatte. „Ich dachte, da wird nur gefeilt und gehobelt, das brauchen unsere Leute doch gar nicht.“ Schließlich machte er doch mit, auch aufgrund der auf die Unternehmen abgestimmten Konzeption. Neugart-Personalleiterin Jutta Maurer ist überzeugt von der Maßnahme: „Bei uns gibt es viele branchenfremde Mitarbeiter mit Potenzial. Deshalb hoffen wir, dass das Projekt langfristig läuft.“
Teilnehmer Konstantin Richter von Neugart freut sich zunächst einmal über die neue Gehaltsgruppe. Dabei sei ihm das Lernen 15 Jahre nach Schulabschluss nicht immer ganz leichtgefallen. „Aber das ging dann bald ziemlich gut.“ Daniel Alilovic, Teilnehmer von Hydro Extrusion, ist stolz auf sein IHK-Zeugnis: „Jetzt habe ich auch wirklich die Berechtigung, diesen Job zu machen.“
Im Unternehmen von IHK-Präsident Dr. Steffen Auer gibt es auf dem Gebiet der Maschinen- und Anlagenführer einige angelernte Kräfte. Doch reicht es nicht für die Einrichtung einer Klasse. „Das war letztendlich die Idee: Wir bilden eine Firmengemeinschaft, um eine Klasse zu füllen. Dazu hat dann das IHK-Bildungs-Zentrum auch noch unsere Vorstellungen berücksichtigt.“
Auers Mitarbeiter Friedrich Anatoli motiviert das IHK-Zeugnis, weiter die Schulbank zu drücken. Diese Möglichkeit besteht nun laut Roswitha Mühl tatsächlich für die Absolventen: „Mit drei weiteren Modulen kann der Industriemechaniker aufgesetzt werden.“
Seit wenigen Wochen läuft bereits der zweite Jahrgang der Maßnahme. Dieses Mal haben sich 14 Personen aus fünf der sechs Betriebe – Schwarzwald Eisenhandel setzt einmal aus – auf den Weg gemacht, um im Sommer 2019 das IHK-Zeugnis als „Maschinen- und Anlagenführer“ zu erhalten. IHK-Hauptgeschäftsführer Kempff: „Dieser Beruf muss nicht der einzige sein, in dem wir Hilfskräfte zu Fachkräften ausbilden. Wenn sich Unternehmen finden, lässt sich die Maßnahme auf fast alle Berufe ausweiten.“ Auch die Agentur für Arbeit würde eine Ausweitung unterstützen. „Hier sehen wir zwölf gute Beispiele, dass so etwas gelingen kann“, sagt Horst Sahrbacher und appelliert: „Ich möchte alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber auffordern, die Möglichkeiten, die wir durch das Programm ,WeGebAU‘ haben, zu nutzen.“
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