Kreisreform 1973
Cornelius Gorka über Proteste und Hintergründe

Dr. Cornelius Gorka im Kreisarchiv des Landratsamts | Foto: Glaser
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Ortenau 50 Jahre Ortenaukreis – in Nordrach stand das Ortenauer Bürgerfest am gestrigen Samstag ganz im Zeichen des Kreisjubiläums. Aber wie kam es eigentlich zur Kreisreform? Wir sprachen mit Kreisarchivar Dr. Cornelius Gorka.

Warum gab es die Reform 1973?
Die öffentlichen Aufgaben waren seit den 1950er-Jahren stetig gewachsen. Und ein weiterer Aufgabenzuwachs war in der sich entwickelnden Industrie- und Wohlstandsgesellschaft zu erwarten. Auf die Kommunen kamen neue, vor allem finanzielle Herausforderungen zu. Die meisten Gemeinden und Landkreise waren aber schlichtweg zu klein, um diese stemmen zu können. Die Landesregierung wollte daher mit einer Gebiets- und Verwaltungsreform eine moderne und leistungsstarke öffentliche Verwaltung schaffen, die künftigen Herausforderungen besser gewachsen war. Dies sollte unter anderem durch Bildung größerer Verwaltungseinheiten und der Neuorganisation der Verwaltungsstruktur erreicht werden – Stichwort: Bündelung der Kräfte.

Es wurden die Kreise Kehl, ohne die nördlichen Gemeinden, Lahr, Offenburg und Wolfach, ohne die östlichen, sowie der südliche Teil von Bühl vereint. Warum dieser Zuschnitt?
Zwischen dem ersten Denkmodell der Landesregierung 1969 und der Verabschiedung des Kreisreformgesetzes 1971 wurden die Grenzen der Landkreise mehrmals beraten und geändert. Dabei nahmen auch die Gemeinden und Landkreise wiederholt Stellung. Im Landkreis Bühl waren die Meinungen geteilt: Die nördlichen Gemeinden wollten sich eher dem Landkreis Rastatt und die südlichen eher dem Ortenaukreis anschließen. Der Landkreis Lahr wollte komplett zum Ortenaukreis kommen. Die Landtagsabgeordneten unterstützten diese Anliegen. So wurde schließlich das Kreisreformgesetz verabschiedet, welches die Grenzen des Ortenaukreises endgültig festlegte.

In Lahr gab es den Schlachtruf: "Wir sind doch nicht plemplem und gehen zu EM!"
Der Landkreis Lahr hatte lange für seine Selbständigkeit gekämpft und daher jegliche Fusionspläne mit Emmendingen abgewiesen. Einer Vereinigung mit dem Nachbarn hätte man höchstens zugestimmt, wenn Lahr weiterhin Kreissitz geblieben wäre. Als dann feststand, dass der Landkreis Lahr aufgelöst wird, entschied sich der Lahrer Kreistag einstimmig für eine Angliederung an Offenburg. Fast alle Gemeinden des Landkreises Lahr, auch des Südbezirkes, hatten sich ebenfalls für ein Zusammengehen mit dem Landkreis Offenburg entschieden. Eine Zuordnung zum Landkreis Emmendingen wurde dagegen strikt abgelehnt. Es gab bereits gewisse Verflechtungen mit Offenburg und dem mittelbadischen Raum, insbesondere durch die 1962 gegründete Planungsgemeinschaft Mittelbaden. Ich denke, dass auch die Nähe eine Rolle spielte.

Was sagten die Bürger selbst zu dem Vorhaben?
Der öffentliche Protest war vor allem dort am größten, wo die Bürger den Verlust ihres Landratsamtes fürchteten. Ministerpräsident Filbinger bekam beispielsweise bei einem Besuch in Wolfach am 29. Mai 1970 deutlich den Unmut der Bevölkerung zu spüren, welche gegen die Auflösung des Landkreises Wolfach protestierte. In Offenburg war die Stimmung wesentlich entspannter. Es gab durchaus Stellungnahmen einzelner Bürger. Aber eigentlich bewegte die Menschen die parallel verlaufende Gemeindereform wesentlich mehr. Am Ende waren die Bürger mit der Bildung des Ortenaukreises nicht unzufrieden, wie Umfragen zeigten. Vor allem die Wahl des neuen Kreisnamens wurde begrüßt. Ich denke, dass diese Entscheidung den meisten Bürgern geholfen hat, den neuen Landkreis anzunehmen.

Wie kam es eigentlich zu dem Namen Ortenaukreis?
Während der Beratungen gab es im Landtag Überlegungen, den neugebildeten Landkreisen alternativ zum Städtenamen einen neutralen Namen zu geben, in dem sich alle Kreisbewohner wiederfanden. Dazu empfahlen sich vor allem Namen von Landschaften, Flüssen, Gebirgen oder ehemaligen Herrschaftsgebieten. Der Landtagsausschuss bot zu „Landkreis Offenburg“ „Kinzig-Kreis“ und „Kreis Ortenau“ an. Der Offenburger Landtagsabgeordnete Robert Ruder griff diesen Vorschlag auf und schlug den Namen „Ortenaukreis“ vor. Nach Ruders Ansicht sollte der neue Landkreis nach der Landschaft benannt werden, deren Gebiet er zum größten Teil bedeckte. Sein Antrag wurde dann mit großer Mehrheit angenommen. 63 Landkreise wurden zu 35 zu-sammengefasst

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