TGO-Geschäftsführer Stefan Preuss
Auf die Schnelle kostenloser ÖPNV nicht machbar

Damit mehr Menschen auf Busse und Bahn umsteigen, müsse mehr passieren als keinen Fahrpreis zu verlangen, findet TGO-Geschäftsführer Stefan Preuss. | Foto: Christina Großheim
  • Damit mehr Menschen auf Busse und Bahn umsteigen, müsse mehr passieren als keinen Fahrpreis zu verlangen, findet TGO-Geschäftsführer Stefan Preuss.
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Ortenau (gro). Der Bundesrepublik Deutschland droht wegen der Feinstaubbelastung in Städten ein teures Strafverfahren durch die EU-Kommission. Nun hat die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog zur Senkung dieser Belastung nach Brüssel geschickt. Einer der darin enthaltenen Vorschläge ist: Den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) – zunächst in Modellkommunen – kostenlos anzubieten.

"Wäre dieses Angebot nur auf die Städte beschränkt, macht es für die Umwelt wenig Sinn", stellt Stefan Preuss, Geschäftsführer des Tarifverbundes Ortenau GmbH (TGO), fest. "ÖPNV ist ein vernetztes System aus Bussen, Straßenbahnen und Zügen, welches nicht an den Stadtgrenzen endet. Wenn man zur Umweltschonung Verkehrsströme verlagern und lenken möchte, müsste man die Ein- und Auspendelbewegungen der Städte einbeziehen und damit zwangsläufig großräumiger denken."

Preuss gibt zu bedenken, dass ein auf die Schnelle eingeführter ÖPNV in Städten, in der ganzen Ortenau oder auch in anderen Verkehrsverbünden weder von der Kapazität der Fahrpläne und der Fahrzeuge noch von der Finanzierung her funktionieren würde. "Das Ergebnis wäre für alle Seiten – Verkehrspolitik, Fahrgäste, Verkehrsunternehmen und Verbünde – absehbar unbefriedigend", mahnt Preuss.

Dabei spricht sich der TGO-Geschäftsführer gegen Denkverbote aus: "Limitierende Faktoren sind aber deutlich erkennbar. Sowohl in Städten als auch in der Fläche müssten vor einer Umsetzung zwingend die finanziellen und kapazitiven Voraussetzungen geschaffen werden. Nur in einem deutlich ausgebauten ÖPNV könnte man einer sprunghaft erhöhten Fahrgastzahl gerecht werden. Kostenlos ist ja nicht alles. Der ÖPNV muss ein gut und sicher funktionierendes System sein, damit er jederzeit gerne genutzt wird." Eine Alternative werde der umweltschonende öffentliche Nahverkehr nur dann, wenn auch alles weitere passe: der Fahrplan, der Komfort und die Sicherheit.

Die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf – in der Ortenau liegen diese bei rund 24 Millionen Euro im Jahr – müssten von anderer Stelle kompensiert werden. "Sie stellen eine von mehreren Säulen der Finanzierung dar", macht Preuss deutlich. "Das allein wäre aber zu kurz gesprungen: Neues Geld für dichtere Fahrpläne, neue Fahrzeuge, zusätzliches Personal und erhöhten Betriebsaufwand wäre nötig, wenn das Ergebnis die Fahrgäste vom dann für sie kostenlosen ÖPNV überzeugen soll." Preuss sieht im Fall der Umsetzung die Belastung für die öffentliche Hand deutlich ansteigen. Wie sehr die kommunalen Gebietskörperschaften belastet werde könnten, zeigt die Mitteilung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Der schätzt, dass dafür bundesweit zwölf Milliarden Euro zusätzlich steuerfinanziert in den ÖPNV fließen müssten. Plus weitere Milliardenbeträge für Infrastrukturinvestitionen.

In Baden-Württemberg wird der ÖPNV derzeit so finanziert: Das Land ist Aufgabenträger für den Schienenpersonenverkehr, die Stadt- und Landkreise für den öffentlichen Straßenpersonenverkehr. Das Land bestellt und bezahlt die Züge, die Stadt- und Landkreise definieren und zahlen die zu erbringenden Bus- und Straßenbahnleistungen im gesetzlich dafür vorgesehenen jeweils kreisweit gültigen so genannten Nahverkehrsplan.

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