Utz Geiselhart im Gepsräch
Handel bietet Chance, Verantwortung zu tragen
Ortenau. Welche Ausbildungs-Chancen der Einzelhandel bietet, erklärt Utz Geiselhart, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, im Interview mit Matthias Kerber.
Welche Ausbildungsberufe bietet der Einzelhandel?
Neben den beiden beliebten Einzelhandelsberufen „Kaufleute im Einzelhandel“ sowie „Verkäufer“, in denen jährlich rund zehn Prozent aller Ausbildungsverträge der insgesamt 325 dualen Ausbildungsberufe geschlossen werden, bildet die Branche in mehr als 60 weiteren Berufen – beispielsweise Kaufleute im E-Commerce, Fachkraft für Lagerlogistik, Berufskraftfahrer, Fahrradmonteur, IT-Berufe – aus, bietet dreijährige Abiturientenprogramme, eine Kombination aus Aus- und Fortbildung, sowie verschiedene duale Studiengänge an.
Warum ist eine Ausbildung im Einzelhandel eine gute Entscheidung?
Die Karriere mit Lehre ist im Einzelhandel nach wie vor die Regel. Über 80 Prozent der Führungskräfte haben in der Branche als Auszubildende begonnen. Im Einzelhandel sind Frauen in Führungspositionen die Regel! 38 Prozent der Führungskräfte auf der ersten Führungsebene sind im Einzelhandel weiblich, auf der zweiten Führungsebene sind es sogar 65 Prozent, und damit deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst eines Beschäftigten im Einzelhandel betrug 2020 nach der aktuellen Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamtes 18,92 Euro. Dies entspricht bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten in Höhe von 37,7 Stunden im Jahr 2020 einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3.100 Euro im Einzelhandel. Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst in der Branche liegt somit um 97 Prozent über dem seit 1. Juli 2021 geltenden gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro. Entgegen allen Befürchtungen hat weder die fortschreitende Digitalisierung und Technisierung noch die Corona-Krise zu einem Arbeitsplatzabbau in der Branche geführt. Die Gesamtbeschäftigung im Einzelhandel ist trotz Pandemie auch im Jahr 2020 insgesamt auf hohem Niveau verblieben und im Vorjahresvergleich kaum zurückgegangen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein Problem. Der Einzelhandel arbeitet flexibel. Über 60 Prozent der Arbeitskräfte im Einzelhandel sind in Teilzeit tätig.
Warum ist eine Ausbildung im Einzelhandel auch für Abiturienten attraktiv?
Abiturienten werden verschiedene Möglichkeiten im Einzelhandel geboten, so beispielsweise eine verkürzte Ausbildung, duale Studiengänge oder die dreijährigen Abiturientenprogramme des Handels. Seit Mitte der 1970er-Jahre bietet der Einzelhandel aufstiegsorientierten Hochschulzugangsberechtigten das spezielle Qualifizierungskonzept „Abiturientenprogramm“ an, das sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hat und für Arbeitgeber und Bewerber ein gleichermaßen attraktives wie leistungsgerechtes Angebot darstellen. Weitere Informationen gibt es unter https://einzelhandel.de/abiturientenprogramme
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es nach der Lehre?
Generell kann man im Handel, wenn man engagiert ist, schnell in Führungsverantwortung kommen. Karriere mit Lehre ist im Handel die Regel. Über 80 Prozent der Führungskräfte haben in der Branche als Auszubildende begonnen. Einige werden bereits während ihrer Ausbildung auf die Übernahme von Führungsaufgaben vorbereitet, andere nutzen auch Fortbildungen, wie beispielsweise zum Handelsfachwirt, zum Fachwirt im E-Commerce, Vertrieb im Einzelhandel oder für Marketing. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung ist berufsbegleitendes Studieren ebenfalls möglich.
Wie spiegelt sich der zunehmende Online-Handel in den Ausbildungsberufen wider?
Der Online-Handel ist ein starker Wachstumstreiber. Im Jahr 2017 wurden deshalb die beiden Einzelhandelsberufe modernisiert und in diesem Zuge hat die Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel die Wahlqualifikation „Online-Handel“ im dritten Ausbildungsjahr erhalten. Darüber hinaus hat der Handelsverband Deutschland (HDE) im Jahr 2015 die Initiative ergriffen und im darauffolgenden Jahr das Einverständnis zur federführenden Schaffung des neuen Berufs Kaufleute im E-Commerce vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesbildungsministerium erhalten. Das Interesse hieran wächst weiter stetig. Die Zukunft des neuen Berufs sieht der HDE dementsprechend positiv. Der Kaufmann im E-Commerce könnte in wenigen Jahren zu den Top-20-Ausbildungsberufen zählen. Um darüber hinaus den zunehmenden Fachkräftebedarf für den Online-Handel decken zu können, wurde 2019 eine bundesweit anerkannte Fortbildung zum Fachwirt im E-Commerce geschaffen
Welche Ausbildungsberufe werden besonders stark nachgefragt?
Der Handel ist die Top-Ausbilder-Branche. Jedes Jahr beginnen alleine in den beiden beliebten Kernberufen des Einzelhandels über 50.000 zukünftige Kaufleute im Einzelhandel sowie Verkäufer eine Ausbildung. Wer gerne mit und für Menschen arbeiten möchte, ist in diesen beiden Berufen genau richtig. Wer gerne kocht oder durch Sport vertieftes Wissen über Lebensmittel mitbringt, kann sich etwa über eine Ausbildung im Supermarkt oder Lebensmittelfachgeschäft informieren. Wer mode- und trendbegeistert ist, kann im Mode-, Schmuck-, Sport- oder Schuhhandel, aber auch Parfümerien und Drogerien Kunden beraten, um nur einige der vielen Möglichkeiten zu nennen.
Wie sieht es mit der Work-Life-Balance trotz langen Öffnungszeiten und Samstagsarbeit im Einzelhandel aus?
Wer nicht jede Woche den gleichen Stundenplan haben möchte, ist im Handel flexibel in der Zeiteinteilung und hat auch unter der Woche frei. Die persönliche Arbeitszeit hat nichts mit der Öffnungszeit des Betriebes zu tun. Häufig gibt es ein Zweischichtsystem. Für verkaufsoffene Sonntage gib es Zuschläge oder mehr Freizeit an anderen Tagen. Gerade der Einzelhandel bietet jede Menge Teilzeitangebote, die Familie und Arbeit verbinden lassen.
In welchen Bereichen gibt es im Einzelhandel noch offene Stellen?
Der Einzelhandel ist ein sicherer Ausbilder und bietet jungen Menschen mehr Ausbildungsstellen als vor Corona an. Das bestätigen auch aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Für die dreijährige Ausbildung Kaufleute im Einzelhandel und die zweijährige Ausbildung Verkäufer verzeichnet die BA in ihrer aktuellen Ausbildungsmarktstatistik August 2021 insgesamt rund 61.700 Stellenangebote. Das bedeutet, dass jedes achte Ausbildungsstellenangebot in Deutschland auf einen dieser beiden Berufe entfällt. Die Handelsunternehmen setzen für ihre Fachkräftesicherung klar auf die duale Ausbildung. Sie bieten nicht nur ein stabiles Ausbildungsplatzangebot, sondern bauen ihr Angebot sogar aus. Die Ausbildungsbereitschaft der Handelsunternehmen ist ungebrochen. Fehlende oder eingeschränkte Berufsorientierungsmöglichkeiten in den vergangenen Monaten dürfen junge Menschen nicht von einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz abschrecken. Aktuell sind noch rund 23.000 der angebotenen Ausbildungsstellen unbesetzt. Bewerbungen sind also für dieses Ausbildungsjahr auch jetzt noch möglich und Bewerber haben gute Chancen, wenn sie jetzt noch einen Ausbildungsplatz suchen. Die Stellenbesetzung wird noch über den gesamten Herbst erfolgen.
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