Dritter Sicherheitsdialog der Polizei
Gemeinsam an einem Strang ziehen

Polizeipräsident Jürgen Rieger (v. l.), Landrat Christian Dusch, OB Dietmar Späth und Dezernent Reinhard Kirr, Ortenaukreis, trafen sich beim Sicherheitsdialog. | Foto: Polizei Offenburg
  • Polizeipräsident Jürgen Rieger (v. l.), Landrat Christian Dusch, OB Dietmar Späth und Dezernent Reinhard Kirr, Ortenaukreis, trafen sich beim Sicherheitsdialog.
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Ortenau (st) „Es ist uns ein Anliegen, gemeinsam gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu erörtern, die die Sicherheitslage im Zuständigkeitsbereich beeinflussen könnten. Eine enge Zusammenarbeit ist hierbei unerlässlich, da Sicherheitsprobleme oder Katastrophen bzw. außergewöhnliche Einsatzlagen oft nicht an den Verwaltungsgrenzen haltmachen“, betonte Polizeipräsident Jürgen Rieger anlässlich des mittlerweile dritten Sicherheitsdialogs. Ziel dieser hochrangigen Abstimmungen war es einmal mehr, gemeinsam Lösungen für bestehende Sicherheitsprobleme und bedenkliche Entwicklungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unserer Region zu erarbeiten oder zumindest darauf aufmerksam zu machen.

Bevor Landrat Prof. Dr. Christian Dusch, Oberbürgermeister Dietmar Späth, Reinhard Kirr, Leiter des Dezernats für „Sicherheit, Ordnung und Gesundheit“ beim Landratsamt Ortenaukreis (in Vertretung für Landrat Frank Scherer) und Polizeipräsident Jürgen Rieger einzelne Schwerpunkte betrachteten, wurde die allgemeine Sicherheitslage beleuchtet. Während diese allgemein von allen Beteiligten als stabil bewertet wurde, da sich bei der Gewalt- und Straßenkriminalität gegenüber den Vorjahren kaum Veränderungen ergaben, rückten bei einer genaueren Analyse die Themen Messerangriffe, häusliche Gewalt, Ausländerkriminalität sowie die Folgen der Cannabislegalisierung in den Mittelpunkt des weiteren Austauschs. In Anlehnung an die Übung „Synergie 2023“ und anlässlich aktueller Extremwetterereignisse wurde auch die Verbesserung der Zusammenarbeit im Katastrophenfall beraten und weiter auf den Weg gebracht.

Im Fokus

Die Fallzahlen der Messerangriffe im öffentlichen Raum im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Offenburg sind in den vergangenen Jahren leider kontinuierlich angestiegen. Mit einer Steigerung von 23,60 Prozent zum Vorjahr wurden im Jahr 2023 110 Messerangriffe erfasst. Eindeutige örtliche Schwerpunkte sind kaum zu definieren. In anderen Städten wurden als Reaktion auf die steigenden Zahlen Waffenverbotszonen eingerichtet. Landrat Prof. Dr. Dusch betonte – wie die anderen Teilnehmer auch - die Schwierigkeiten bei der Überwachung und Durchsetzung von Messerverbotszonen durch die Polizei und die Kommunalen Ordnungsdienste: „Wir sollten dringend politische Wege finden, um das Mitführen von Messern im öffentlichen Raum zu verhindern oder zumindest deutlich zu reduzieren. Die generelle Verfügbarkeit von Messern sollte eingeschränkt werden, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“ Den Vorstoß der Landesregierung, das Waffengesetz verschärfen zu wollen, unterstützte die Runde uneingeschränkt. Ebenso äußerten sich die Behördenchefs in Bezug auf eine weiterhin konsequente Verfolgung von waffenrechtlichen Verstößen zustimmend.

Die Zahl der registrierten Fälle von Partnergewalt hat im Jahr 2023 erstmalig die Marke von 1.000 überschritten. Mutmaßliche Gründe für diesen Anstieg dürften unter anderem in der häufigen medialen Präsenz und Enttabuisierung durch Kampagnen wie „#metoo“, in geringerer Abhängigkeit der Frauen von ihren Partnern, im veränderten Anzeigeverhalten sowie in der Tatsache zu suchen sein, dass das Dunkelfeld zunehmend ins Hellfeld überführt wird. Oberbürgermeister Späth unterstrich die Notwendigkeit, besonders in den ersten akuten Phasen die Hilfsangebote zu optimieren: „Gewalt hinter verschlossenen Türen darf nicht ignoriert werden. Wir müssen sicherstellen, dass betroffene Frauen und Männer frühzeitig und effektiv Unterstützung erhalten. Es liegt in unserer Verantwortung, alle möglichen Ressourcen zu mobilisieren, um diese Form der Gewalt zu bekämpfen und den Opfern beizustehen.“ Die Runde vereinbarte weitere Abstimmungen zur Verbesserung des Opferschutzes. „Wir bleiben an dem Thema dran!“ sagte Oberbürgermeister Dietmar Späth.

Schnelle Erfolge erzielen

Im Jahr 2022 wurden erstmals mehr ausländische Tatverdächtige ermittelt als deutsche. Dieser Trend hat sich im Jahr 2023 fortgesetzt. Knapp ein Drittel aller Tatverdächtigen im Jahr 2023 waren Asylbewerber oder Flüchtlinge (31,7 Prozent). Bei Betrachtung der Tatverdächtigenzahlen ohne Straftaten gegen das Ausländerrecht (etwa die illegale Einreise) fällt der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen jedoch geringer aus. Das Verhältnis beträgt 48,7 Prozent nichtdeutsche Tatverdächtige (davon 35,7 Prozent Asylsuchende) und 51,3 Prozent deutsche Tatverdächtige. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass die überwiegende Mehrheit der ausländischen Mitbürger gesetzestreu ist und einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft leistet. Reinhard Kirr: „Im Namen aller Teilnehmer des Sicherheitsdialoges, muss die Landes- beziehungsweise die Bundesregierung zur Entlastung der Sozialetats von Land- und Stadtkreisen aufgefordert werden, Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, und Täter von schwerwiegenden Straftaten schnell abzuschieben.“ Die Teilnehmer waren der Auffassung, dass so schnellere Erfolge bei der Bekämpfung der Kriminalität durch Täter mit ausländischer Staatsangehörigkeit erzielt werden können.

Die im April in Kraft getretene Cannabislegalisierung stellt alle Behörden vor große Herausforderungen und teilweise noch ungelöste Fragen. Polizeipräsident Jürgen Rieger machte die Dringlichkeit deutlich, Jugendschutz und Verkehrssicherheit zu gewährleisten und hob hervor, dass offene Rauschgift- und Cannabisszenen nicht toleriert werden. Der illegale Handel mit Cannabis wird weiterhin strafrechtlich konsequent verfolgt, insbesondere im Hinblick auf die organisierte Kriminalität.

"Synergie 2023"

Die im vergangenen Jahr stattgefundene gemeinsame Übung "Synergie 2023" hat eindrucksvoll gezeigt, wie unabdingbar eine behördenübergreifende Zusammenarbeit bei großen Schadensereignissen ist. Die Hochwasserlage in Baden-Württemberg und Bayern vergangene Woche, die zu überfluteten Straßen, aufgeweichten Dämmen, gesperrten Bahnstrecken und Vermissten geführt hat, unterstreicht die Aktualität und Relevanz dieser Übung. Erste Arbeitspakete sind bereits geschnürt und teilweise abgearbeitet, um die Zusammenarbeit weiter zu stärken und die Reaktionsfähigkeit zu verbessern. „Die Übung hat gezeigt, dass sich jede Behörde inhaltlich und personell auf interdisziplinäre Lagen vorbereiten muss. Sie hat uns darüber hinaus wertvolle Einblicke und praktische Erfahrungen geliefert, die wir in zukünftigen Einsätzen nutzen werden“, erläuterte Reinhard Kirr. Die Besprechungsteilnehmer waren sich in der Bewertung einig, dass zwar wichtige Schritte für mehr Katastrophenschutz eingeleitet sind, aber noch weitere Optimierungen zwingend erfolgen müssen. Angestrebt wird unter anderem eine gesichert funktionierende Kommunikationstechnik, einheitliche Verfahren zur übergreifenden Lagedarstellung und der standardisierte Austausch auf Behördenleiterebene, um die wichtigen nächsten Schritte klären zu können, beispielsweise, wie die Katastrophenschutzbehörde schnell und unkompliziert mit Know-How und Technik unterstützt werden kann. Auch die Stimmungen in der Bevölkerung bei Katastrophen- oder größeren Einsatzlagen müssen gezielt erhoben werden. „In diesem Bereich haben wir Nachholbedarf festgestellt. Deshalb werden wir uns künftig noch mehr engagieren müssen“, resümierte Landrat Prof. Dr. Christian Dusch.

Ein Rückblick auf den neuerlichen Sicherheitsdialog bestärkte alle Beteiligten darin, dieses Format auch in Zukunft fortzuführen. Ein wesentlicher Vorteil dieses regelmäßigen Austauschs ist das gemeinsame Vorangehen, das daraus resultiert. Die damit verbundene verbesserte Kommunikation führt außerdem zu einem erhöhten gegenseitigen Verständnis für das jeweils eigene Handeln. Bestes Beispiel waren die Einsatzmaßnahmen in den Höhengebieten des Zuständigkeitsbereiches. In den letzten zwei Jahren kam es gerade im Winter zu keinen nennenswerten Störungen mehr. Alle Beteiligten hatten damals koordiniert gehandelt, als das Problem erkannt wurde.

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