Ort der Erinnerung
Bronzetafeln informieren über Schicksal der Opfer
Offenburg (gro). Vier Bronzetafeln erinnern seit Montag, 12. April, auf dem Gräberfeld 19a auf dem Offenburger Waldbachfriedhof an das Schicksal ausländischer Zwangsarbeiter des NS-Regimes in Offenburg. In einer - pandemiebedingten - kleinen Feierstunde gedachte Bürgermeister Hans-Pete Kopp diesen Opfern. Aufgestellt wurden die Tafeln durch den Förderkreis Historischer Waldbachfriedhof gemeinsam mit der Stadt Offenburg, dem Stadtarchiv und den Technischen Betrieben Offenburg. Die Initiative kam aus dem Förderkreis. Hans-Peter Kopp dankte den Initiatoren für "diese sehr verdienstvolle Initiative, die dazu beiträgt, dass das Schicksal dieser Menschen nicht in Vergessenheit gerät".
Auf den Bronzetafeln wird kurz die Geschichte der Opfer dargestellt, denn über diese konnten Besucher des historischen Friedhofs bislang nur wenig erfahren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, am 8. Mai 1945, hatte das Gräberfeld 19a den Namen "Alliierter Ehrenfriedhof" erhalten und wurde Mitte der 1980er-Jahre zu einer "Begräbnisstätte für die Opfer der Gewaltherrschaft 1933-45". Zwei Mahnmale aus den Jahren 1950 und 1964 erinnern an die Opfer, doch deren Geschichte war bislang nur wenig erforscht. Deshalb regte der Förderkreis Historischer Waldbachfriedhof vor einigen Jahren an, diese zusätzlichen Gedenktafeln aufzustellen. Doch bevor dies möglich war, waren aufwändige historische Forschungen notwendig. Dr. Wolfgang Gall, zunächst als Leiter des Stadtarchivs und seit 2020 als ehrenamtlicher Beirat des Förderkreises, trieb diese voran. Auf einer der Bronzetafeln findet sich ein QR-Code, über den Interessierte weitere Informationen erhalten können. Diese sind auf der städtischen Homepage unter www.offenburg.de/waldbachfriedhof hinterlegt.
Bei einer Forschungsarbeit im Jahr 1986 kam der Historiker Bernd Boll zu dem Schluss, dass man in Offenburg von schätzungsweise 3.500 "Erfassungen" von ausländischen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen ausgehen kann. Sie waren bei etwa 100 Betrieben und Behörden - unter anderem in der Offenburger Stadtverwaltung - eingesetzt. Sie wurden streng überwacht. Die Lebensumstände waren hart, denn die Zwangsarbeiter wurden in zugigen Barracken eingepfercht, die Verpflegung war unzureichend.
1950 entstand der russische Ehrenfriedhof auf dem Waldbachfriedhof, fand Wolfgang Gall heraus. Auf Drängen der sowjetischen Siegermacht, die daran interessiert war, die auf vielen deutschen Friedhöfen meist nur sehr einfach bestatteten sowjetischen Soldaten auf wenigen Ehrenfriedhöfen würdig zu beerdigen, war die Anordnung der Allierten Hohen Kommission ergangen. Gall konnte 113 Opfer, vorwiegend Zwangsarbeiter aus der UdSSR und anderen osteuropäischen Ländern, identifizieren. Unter den Toten finden sich auch Säuglinge und Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen, die im Ostarbeiterlager starben, sowie Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Auf den russischen Ehrenfriedhof wurden 1950 zirka 130 sowjetische Tote von Friedhöfen der umliegenden Gemeinden der Kreise Lahr, Wolfach, Kehl und Offenburg umgebettet.
Auf dem Grabfeld 19a wurden weitere 114 osteuropäische Zwangsarbeiter beerdigt, die am 4. Mai 1945 bei der Detonation von Zeitminen in den Gebäuden der Ihlenfeldkaserne - heutiges Kulturforum - den Tod fanden. Die Minen waren von der abziehenden Wehrmacht installiert worden, die verhindern wollte, dass nachrückende französische Soldaten die Kasernen nutzen konnten. Stattdessen wurden ehemalige Zwangsarbeiter, sogenannte "Displaced Persons", aus dem gesamten Kreis dort untergebracht, um sie in ihre Heimatländern zu bringen. Ihre Namen sind bis heute unbekannt. Zusätzlich zu den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen wurden in Offenburg im Auftrag der Reichsbahn zwischen Dezember 1944 und März 1945 rund 1.500 Häftlinge mehrerer SS-Baubrigarden, sogenannte "rollende KZ", auf dem Offenburger Bahnhof stationiert. Sie sollten zerstörte Gleise reparieren und Blindgänger beseitigen. In den letzten Kriegsmonaten ließen die Nationalsozialisten die sterblichen Überreste von KZ-Häftlingen zunächst auf dem Bahnhofsgelände in Massengräbern bestatten. Sie wurden nach 1945 ebenfalls auf das Grabfeld 19a umgebettet.
Zwischen dem 23. März und dem 13. April 1945 befand sich außerdem in der Artilleriekaserne in der Prinz-Eugen-Straße, heute La Horie, eine Außenstelle des Konzentrationslagers Natzweiler. Dort waren 635 Häftlinge aus Belgien, Italien, der Tschechoslowakei, Sowjetunion und Polen, darunter viele Juden, kaserniert, die die Vernichtung des Warschauer Ghettos überlebt hatten. Auch sie wurden von der Reichsbahn zu Arbeiten am Offenburger Bahnhof eingesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass 105 KZ-Häftlinge dort beerdigt sind, sie hatten den Transport nach Offenburg nicht überlebt. 41 der Toten waren Kranke, die auf Befehl der SS am 12. April 1945 im Keller des Lagers von SS-Leuten, Kapos und Blockältesten auf grausame Weise ermordet wurden.
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