Perle im Mittelmeer
Isola d’Elba: Kleine Insel mit ganz eigenen Reizen

Die Spiaggia dell‘Innamorata (der Strand der Verliebten) im Osten der Insel. Er ist nur einer der etlichen, bezaubernden Badebuchten, die um ganz Elba verteilt sind. | Foto: Daniel Basler
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  • Die Spiaggia dell‘Innamorata (der Strand der Verliebten) im Osten der Insel. Er ist nur einer der etlichen, bezaubernden Badebuchten, die um ganz Elba verteilt sind.
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Der Legende nach soll Venus beim Bad im Tyrrhenischen Meer sieben Edelsteine ihres Diadems verloren haben – der größte davon Elba, die sechs kleineren wurden zu den umgebenden Inseln des Toskanischen Archipels: Wer die vielfarbigen Seiten der drittgrößten Insel Italiens kennenlernen möchte, trifft auf ein breites Angebot, von Feriendomizilen im Hinterland und an pittoresken Buchten über Touren durch wilde Berge bis zu reizvollen Tauchrevieren und Begegnungen mit einer wechselvollen Geschichte.

Es dauert nur ein paar Sekunden, dann deutet Evi Gürtler nach rechts und lächelt: „Hier geht es weiter.“ Während wir der ausgebildeten Naturführerin auf dem schmalen Pfad mit dem Aroma von Thymian und Rosmarin in der Luft folgen, klärt sie uns auf, weshalb sie an der Gabelung kurz ins Stocken geriet. „Die Macchia stoppt auch vor Wegen nicht. Letztes Jahr war die Abzweigung leichter zu erkennen. Das typische, niedrige, mediterrane Gehölz wuchert alles schnell zu“, führt sie uns geschickt durch die fast baumhohe Buschvegetation, bis der Weg wieder etwas breiter verläuft. Nach zehn Minuten endet er abrupt – und wir starren auf eine friedliche, azurblaue Wasserfläche, die den hellen, wolkenlosen Himmel in sich aufzunehmen scheint, unterbrochen durch eine Silhouette weit draußen.

„Das ist die berühmte Insel des Grafen von Montecristo“, folgen wir dem Blick unserer Begleiterin Richtung Süden. Für die gebürtige Deutsche, seit über 40 Jahren auf Elba zuhause, ist die Wandertour zum Punta Capo Stella im zentralen Süden des 225 Quadratkilometer großen Eilands jedes Mal ein überwältigendes Erlebnis. „Was hier als Landzunge fast drei Kilometer ins Tyrhrhenische Meer hinausragt, ist Teil der wilden, naturbelassenen Seite Elbas, die heute mehr als zur Hälfte unter Schutz steht“, schwärmt sie für die frühe Errichtung des Parco Nazionale dell‘ Arcipelago Toscano im Jahr 1996, dem größten Meeresschutzgebiets Europas mit einer Gesamtfläche von fast 80 000 Hektar.

Wie facettenreich diese Welt ist, dazu gibt uns die 63-Jährige auf dem Rückweg zum Badestrand von Margidore, unserem Ausgangspunkt, einen Vorgeschmack auf die Insel-Kontraste, die uns erwarten: Schroffe Berge mit dichten Wäldern aus Steineichen, Pinien und Esskastanien, tiefe Schluchten, feine abwechslungsreiche Buchten und Strände, von Macchia eroberte Terrassen, mittelalterliche Dörfer und belebte Küstenorte, Olivenhaine und Weingüter und eine Kultur, die das Erbe zahlloser Eroberer und Einflüsse aus dem gesamten Mittelmeerraum in sich trägt. Ihre strategisch günstige Lage nur wenige Kilometer vom toskanischen Festland entfernt und die reichen Eisenerzvorkommen machten den Landstrich immer wieder zum Objekt der Begierde, blickt Evi Gürtler auf die bewegten Zeiten ihrer Wahlheimat. „Sie hat natürlich weitaus mehr zu bieten als nur eine spannende Geschichte von den Etruskern über Napoleons Wirken im Insel-Exil bis zum aufblühenden Tourismus zu Beginn der 60er-Jahre“, verabschiedet sie sich mit dem Tipp, im Hinterland eine besondere Farm aufzusuchen.

Zuvor geht es allerdings noch für eine Übernachtung ins malerische Bergstädtchen Capoliveri mit seinen verwinkelten Gassen, Boutiquen, Cafés und hübschen Piazzas. Gut ausgeruht brechen wir dann früh am Morgen auf. Mit geliehenen Mountainbikes kurven wir die Serpentinen hinunter, passieren Trockenmauern und erreichen ein grünes, landwirtschaftlich genutztes Gebiet im flachen Hinterland des beliebten Badeorts Lacona. Hier und da tauchen am Ende langer Zufahrten versteckt liegende Guts- und Bauernhöfe im toskanischen Stil auf, die noch Obst- und Gemüseanbau betreiben und wo man darüber hinaus im Zeichen des einheimischen Agriturismo vereinzelt einfache und ruhige Feriendomizile mit Familienanschluss inmitten der Natur mieten kann.

Ein etwas anderes Konzept verfolgt Sara Esposito, die uns auf ihrer Bio-Hofmolkerei erwartet. Als wir dort eintreffen, tränkt sie gerade ein Dutzend Schafe auf der Weide. Die Tiere ruft sie mit Namen wie Filipo, Zizza und Luisa. Vor rund zehn Jahren sei sie auf die Insel gekommen, um ihre Vorstellung von ökologischer Landwirtschaft zu praktizieren, wofür sie sich ein Grundstück erworben hat. Neben der eigenen, manuellen Produktion von Frisch- und Weichkäsen wie Crescenza und Robiola und Joghurt, womit sie ausgesuchte Restaurants beliefert, verkauft sie auch Wolle und Safran, gelegentlich ebenso Marmelade aus wilden Feigen. Los wird sie ihre Produkte auch im Direktverkauf in der Urlaubssaison, erzählt sie uns weiter während einer Verschnaufpause im Schatten ihres kleinen Hauses. „An der Farm vorbei verläuft eine Passage von den Campingplätzen zum großen, goldenen Sandstrand in Lacona. Die Leute halten an, schauen sich um, fragen nach und kaufen das eine oder andere“, sagt die aus Neapel stammende, promovierte Agrarwissenschaftlerin lächelnd, dass sich ihr Betrieb „Regali Rurali“ (dt.: ländliche Geschenke) nach viel ambitioniertem Herzblut-Einsatz nun trägt.
Mit Workshops zu Themen wie bäuerliche Arbeit, gesunder Ernährung, der Wiederentdeckung von Naturaromen oder dem Filzen und Verarbeiten von Wolle gibt sie ihr Wissen an Jung und Alt, Schulen und Besuchergruppen weiter. Die Kreisläufe der Natur verstehen zu lernen, sie zu achten und zu vermitteln, dass die Lebensmittelerzeugung innovativ und gleichzeitig umweltschonend sein könne, zeichne ihre Arbeits- und Lebensphilosophie aus. Es ist diese Überzeugung und die Faszination für Elba, das es ihr seit ihrem ersten Ferienjob-Aufenthalt angetan hat, die Sara Esposito anspornen. „Daraus ziehe ich täglich Kraft, die teils schwere Arbeit zu bewältigen, dabei zu fühlen, dass ich in etwas Ganzes eingebunden bin, das ich selbst in der Hand habe und es zudem mit interessierten Menschen teilen kann“, bekennt sie leidenschaftlich beim Servieren einiger ihrer Spezialitäten, die ihr das rund vier Hektar große Stück Erde ihrer Azienda Agricola (Landwirtschaftsbetrieb) schenken.

Angesteckt von so viel zupackendem Idealismus juckt es uns in den Beinen, uns am nächsten Tag nochmals in den MTB-Sattel zu schwingen, um strampelnd den südöstlichen Zipfel Elbas rund um den Monte Calamita („Magnetspitze“) zu erkunden. Auf der 20 Kilometer langen und leichten Rundtour (sie gehört zum Bike Park Capoliveri) mit Start und Ziel in Capoliveri bewegen wir uns durch verschiedene Landschaftsformen mit Postkarten-Charakter. Das miteinander verbundene Wegenetz der Trails geht auf frühere, von Bauern und Berg- und Waldarbeitern genutzte Pfade zurück, die nun als abwechslungsreiche Tourstrecken mit verschiedenen Niveaus genutzt werden können.

Wir sind erstaunt über die facettenreichen „Gesichtszüge“ der kleinen Landzunge und durchqueren Areale, die so aussehen als befände man sich in der sanften Hügellandschaft der Toskana oder auf dem Mond mit seinen unterschiedlichen Rotschattierungen. Verrostete Fördertürme und Ruinen des Eisenerzabbaus, der von den Römern bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Insel ergiebig betrieben wurde (Jahrhunderte lang war er die wichtigste Einnahmequelle), ragen wie groteske Objekte eines Science-Fiction-Films über den kleinen Meeresbuchten in den blauen Himmel.
Bevor uns der Schlussanstieg nach Capoliveri bevorsteht, steht noch eine kurze Stippvisite in der Fattoria Tenuta delle Ripalte an. Das weitläufige, auf einem Plateau über dem Meer gelegene Landgut ist bekannt für den Anbau einheimischer Weine. Im kleinen Verkaufspavillon lernen wir die typisch mediterranen Rebsorten wie den Aleatico, Vermentino und Alicante kennen. Zum Weingut, es ist eines der bedeutendsten Elbas, gehört auch ein Ferienkomplex mit Bauernhöfen und einem Luxushotel. Dies wurde in der ehemaligen Villa Tobler eingerichtet, die früher dem Schweizer Schokoladenfabrikanten gehörte, der im 19. Jahrhundert den halben Berg aufgekauft hatte.

Während wir ganz betört auf der spektakulären Aussichtsterrasse bei Wein, Oliven und Käse unsere Spätsommerreise Revue passieren lassen, reicht ein kurzer, wechselseitiger Blick in unsere Augen und wir spüren, dass hier schon der Groschen gefallen ist – mit einem Wort: Unser Entschluss im nächsten Frühjahr auf die Perle im Mittelmeer zurückzukehren und das mit etwas mehr Zeit für eine kombinierte Hike- & Biketour quer über das knapp 28 Kilometer breite und kontrastreiche Eiland war schnell einhellig gefallen.

Der Nationalpark des Toskanischen Archipels: Schon seit der Antike waren Gorgona, Capraia, Elba, Giglio, Montecristo, Pianosa und Giannutri wertvolle Inseln. Seit 1996 gehören die sieben Inseln, zusammen mit einigen großen und kleinen Felsen, zu dem Nationalpark des Toskanischen Archipels, der ein Meeresgebiet von mehr als 600 Quadratkilometern zwischen Livorno und der Halbinsel Monte Argentario umfasst. Der Park ist das größte Meeresschutzgebiet in Europa und ist Teil der International Marine Mammals Sanctuary, ein Naturschutzgebiet von Italien, Frankreich und dem Fürstentum Monaco gegründet, um deren seltene Flora und Fauna zu schützen.
Giglio gilt vielen als die schönste Insel des Archipels. Ihre Granitfelsen des knapp 500 Meter hohen Poggio della Pagana sind das ganze Jahr mit üppig blühender mediterraner Macchia bedeckt. Mit nur knapp 1500 Einwohnern und einer übersichtlichen Anzahl von Touristen kann man hier herrlich entspannen und den Alltag vergessen. Die malerische Ortschaft Giglio Porto mit ihren buntbemalten Häusern ist der Ankunftsort auf der Insel. Von hier aus kann man per Bus die beiden Ortschaften Giglio Castello und Giglio Campese mit der schönen Sandbucht erreichen. Die Inseln Capraia und Pianosa lassen sich von Elba aus erreichen. Giannutri kann von Porto Santo Stefano auf der Halbinsel Monte Argentario oder Giglio aus angefahren werden. Ein Besuch auf der Insel Montecristo muss aus Gründen des Naturschutzes beantragt werden und ist auf wenige Besucher jährlich beschränkt. Die Insel Gorgona ist eine Gefängnisinsel und kann nur nach Anmeldung und mit Aufsicht besucht werden.

Infos und Adressen zur Natur, Kultur und Geschichte, zu Aktivitäten (Wandern, Tauchen und Biken) auf Elba und den weiteren Inseln gibt es unter anderem auf den Online-Seiten: www.visitelba.com, www.infoelba.net und www.discovertuscany.com

Text und Fotos Daniel J.Basler

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