Der Weingeschmack im Wandel der Zeit
Trocken oder doch lieblich?
Offenburg (gro). Der Wein und die Ortenau gehören zusammen: Der Riesling wurde erstmals in Durbach sortenrein an- und auch ausgebaut. Außerdem ist die Region berühmt für ihre Spätburgunder. Doch seit der Stadtanzeiger Verlag gegründet wurde, gab es viele Trends. "In den 1970er-Jahren waren Weißweine begehrt", erinnert sich Gerhard Hurst, der 1997 – im Geburtsjahr des Gullers – zum Präsidenten des Badischen Weinbauverbandes gewählt wurde. 2009, mit 70 Jahren, trat er von dem Amt zurück.
"Vor den 70er-Jahren wurden die Weine in der Ortenau trocken ausgebaut", erzählt Hurst. Doch die kamen bei den Touristen, die damals den Schwarzwald und die Ortenau für sich entdeckten, nicht an. Der deutsche Weingeschmack wollte gefälligere Weine, die Winzer passten sich dem an. Neben dem Riesling war der Müller-Thurgau beliebt. "Es war ebenfalls die große Zeit des Weißherbstes. Der süffige und milde Wein war bei den Feriengästen beliebt. Allerdings haben viele verkannt, wie hoch der Alkoholgehalt tatsächlich ist", verrät der Winzer mit einem Schmunzeln.
Trocken statt mild
Zu Beginn der 1990er-Jahre verlangten die Verbraucher trockene Weine und verschmähten die mild ausgebauten deutschen Erzeugnisse. "Unsere Winzer haben reagiert", denkt Gerhard Hurst zurück. 60 Prozent der Weine waren nun trocken und hatten einen deutlich höheren Alkoholgehalt. Gleichzeitig kam Rotwein in Mode: "Es war ein echter Boom", so Hurst. "Wir konnten gar nicht genug Spätburgunder anbauen, wie nachgefragt wurde." Gleichzeitig stellten die Winzer fest: Die Sonne wird intensiver, der Tag der Lese kommt immer früher. "Noch in den 70er-Jahren war klar, 100 Tage nach der Rebblüte beginnt der Herbst im Weinberg", beschreibt Gerhard Hurst eine alte Winzerregel. "Diese Regel gilt heute schon lange nicht mehr. Die Trauben werden geerntet, wenn sie die optimale Reife haben." Und das kann bereits Ende August der Fall sein. Um die Qualität der Weine zu steigern, wurden die Rebstöcke stärker zurückgeschnitten, das Lesegut reduziert.
Aktuell sind die Ortenauer Weißweine wie Riesling sowie Grau- und Weißburgunder beliebt. Sie werden weltweit ausgezeichnet und geschätzt. Geblieben ist der Schwerpunkt auf trockenen Produkten: Ein Grauburgunder wird nur selten zu einem Ruländer ausgebaut. Ihre Nische bewahrt haben sich die edelsüßen Weine wie Trockenbeerenauslesen oder Eisweine. Sie sind nach wie vor als Dessertweine gefragt.
Handarbeit im Weinberg
"Die Arbeit im Weinberg war 1972 vor allen Dingen Handarbeit", schildert Gerhard Hurst. "Vor allen in den Steillagen war nichts anderes möglich." Das begann beim Rebschnitt und endete bei der Lese. Erst seit 2010 werden Vollernter eingesetzt. Aber in vielen Betrieben spielen Fremdkräfte bei der Arbeit nach wie vor eine große Rolle. "Der Erlös ist im Augenblick gerade kostendeckend", betont Gerhard Hurst.
Längst hat sich auch das Verhältnis zur Begrünung im Weinberg verändert: "Es gibt weniger Erosion, der Humusgehalt ist besser und es gibt mehr Kleinlebewesen im Rebberg," fasst Gerhard Hurst zusammen. Das Gras, dass nun in den Gassen zwischen den Weinstöcken stehengelassen wird, darf allerdings nicht zu hoch wachsen, damit die Trauben optimal reifen können.
Klima und Weinbau
Sturm, Hagel, Hitze: Das Klima hat sich verändert und die Winzer müssen darauf reagieren. "Sturm und Hagel hat es früher auch gegeben, allerdings sind solche Ereignisse nicht in so kurzen Abständen aufeinander gefolgt." Mit neuen Sorten wollen die Winzer dem Klimawandel begegnen. "Das ist ein langer Weg", findet Gerhard Hurst. "Im Augenblick werden pilzresistente Sorten, die sogenannten Piwis, gesucht. Allerdings ist die Frage, ob diese neuen Weinsorten bei den Verbrauchern ankommen", hegt der Winzer Zweifel: "Denken Sie an die Einführung von hitzeresistenten Sorten nach dem Jahr 2003. Damals wurde Regent empfohlen, aber er kam nicht an. Heute spielt er fast keine Rolle mehr." Zudem, nach Meinung von Gerhard Hurst, die Ortenauer Winzer mit den vorherrschenden weißen und roten Burgundersorten sehr gut aufgestellt sind: "Sie stammen ursprünglich aus Südfrankreich und können Hitze vertragen. Das gilt ebenfalls für Auxerrois."
Auch bei der Kellertechnik hat sich viel getan. "Die Filtration ist modern geworden. Es wird Wert darauf gelegt, bereits den Most zu klären, so dass bei der Gärung keine unerwünschten Geschmacksnoten entstehen", erzählt Gerhard Hurst. In den 1990er-Jahren kam der Ausbau im Barrique in Mode. "Was nicht schon im Weinberg an Tannin entstanden ist, wurde dann im Keller hinzufügt", so Hurst. Heute sei wieder Natürlichkeit Trumpf. "Der Geschmack ändert sich eben", schließt der Winzer.
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