Alisan Erdogan – Schauspieler, Regisseur und Autor
Magie des Theaters
Oberkirch (ag) Alisan Erdogan strahlt, wenn er über sein neuestes Projekt spricht – eine Kooperation des Illenau-Theaters und der Robert-Schuman-Realschule Achern: "'Momo' zu inszenieren, war immer mein Traum." Er hat die Gesamtleitung übernommen und führt, unterstützt von zwei Lehrerinnen, Regie. Nachdem der 57-Jährige den Text bereits bearbeitet hat, freut er sich jetzt riesig auf den ersten Work-Shop, in dem sich alle Beteiligten an den Stoff rantasten.
Der Beginn einer großen Leidenschaft
"Das Theater ist mein Leben", sagt der Vater von zwei erwachsenen Söhnen sowie zweifache Großvater und dabei leuchten seine Augen. Die erste größere Rolle, die das Vorstandsmitglied des Illenau-Theaters spielte, war 1982 der Fremdenführer Gigi in "Momo" von Michael Ende. Es war der Beginn einer großen Leidenschaft, die ihn nie mehr losließ.
Nein, Alisan Erdogan ist mit dem türkischen Ministerpräsidenten weder verwandt noch verschwägert. Aber er ist in der Türkei geboren. Neun Jahre war er alt, als der Vater seine drei Kinder nach Achern holte. Bis dahin hatten Alisan, sein älterer Bruder und die jüngere Schwester bei Verwandten in einem kleinen Dorf bei Divrigi sowie zeitweise in Istanbul gelebt. Weil Vater und Stiefmutter arbeiteten, waren sich die Kinder in Deutschland tagsüber selbst überlassen. "Aus Langeweile habe ich dann angefangen, mit den Puppen meiner Schwester und anderen Requisiten spontan erfundene Stücke aufzuführen, meistens Western", erinnert sich Erdogan mit einem Lächeln. "Western liebte ich."
Ein bärtiger Riese
Davon abgesehen gab es im Leben des kleinen Alisan nicht viel Freude. "Ich hatte keine schöne Kindheit", sagt er. Nicht in der Türkei und in Deutschland wurde es keineswegs besser. Alles war fremd und er verstand noch nicht einmal die Sprache.
In der Schule liefen die ausländischen Kinder nebenher. Es gab eine Schulpflicht, also mussten sie in den Unterricht. Der Rektor und der Vater waren sich laut Alisan Erdogan aber einig, dass dem Gesetz genüge getan war, wenn die Kinder bis 11.30 Uhr still die Schulbank drückten und dann nach Hause gingen. "Wir verstanden sowieso kein Wort", so der Regisseur. Doch eines Tages: "Ich wollte gerade das Schulhaus verlassen, da packte mich ein bärtiger Riese." Ohne viel Federlesen bugsierte er den völlig verängstigten und weinenden Bub in ein Klassenzimmer. Dort saßen zehn weitere ausländische Kinder, denen Holger Albrecht Deutschunterricht gab. So furchtbar riesig war Holger Albrecht eigentlich gar nicht. Vor allem war er ein engagierter Lehrer, der es mit den Gastarbeiterkindern gut meinte, außerdem die Theater-AG leitete und Alisan seine erste kleine Rolle in einer Schulaufführung gab.
Einige Monate später wechselte Albrecht die Schule. Als er allerdings zwei oder drei Jahre später mit Laiendarstellern im Acherner Josefshaus "Momo" inszenierte, fragte er bei seinem ehemaligen Schüler an, ob dieser mitmachen wollte. "Und wie ich wollte!", erinnert sich Alisan Erdogan lachend.
Als Schiedsrichter pfeift er auch Bezirksligaspiele
"Das Theater gab mir Selbstbewusstsein, ich fühlte mich erstmals wahrgenommen und wertgeschätzt", so der 57-Jährige, der jetzt in Oberkirch wohnt und seit 40 Jahren als Betriebstechniker in einem Unternehmen dort arbeitet.
Neben dem Theater hat Erdogan auch andere Interessen. Früher engagierte er sich politisch in Achern für "Die Linke", spielte Fußball und trainierte Kinder. Als Schiedsrichter pfeift er regelmäßig für den Südbadischen Fußballverband. Seine absolute Leidenschaft gehört jedoch nach wie vor der Bühne – als Schauspieler, Regisseur und als Autor. In "mein-theaterverlag" sind bereits acht Stücke von ihm erschienen, sicher werden weitere folgen. Doch jetzt steht erst einmal "Momo" an und ein Traum erfüllt sich.
Alisan ErdoganLieblings-Theaterstücke:
- "Der nackte Wahnsinn"
- "Dracula"
- "Arsen und Spitzenhäubchen"
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