Ihr Begleiter durch die Woche: Roland Kusterer
Das Fundament des Glaubens
Der 20. August ist dieses Jahr im kirchlichen Kalender der zehnte Sonntag nach Trinitatis. Er wird in der Kirche schon seit Jahrhunderten als Israelsonntag begangen.
Dieser Sonntag ist dazu geeignet, das Verhältnis von uns Christen zum Judentum in den Blick zu nehmen. Es ist so etwas wie eine „Gretchenfrage“: Wie halten es Christen mit dem Judentum? Das müssen Christen immer wieder für sich selbst klären. Immer wieder werden sie auch danach gefragt.
Unser Verhältnis zu Israel ist zwiespältig. Einerseits besteht von deutscher Seite seit dem Trauma des Holocaust eine besondere Verpflichtung, mit dem Volk Israel Frieden und Freundschaft zu pflegen. Andererseits sehen wir aber auch das Unrecht, das dem palästinensischen Volk durch die israelische Siedlungspolitik zugefügt wird, die mit dem Bau einer riesigen Mauer durch das Land einhergeht.
Als Christen vergessen wir eines aber nicht: Jesus war Jude – vom ersten Tag seines Lebens bis zur letzten Stunde. Seine Eltern, Maria und Josef, haben alle jüdischen Rituale und Vorschriften treu befolgt; Jesus hat als etwa Zwölfjähriger sicherlich auch seine Bar Mitzwa gefeiert, seine Aufnahme als vollwertiges Mitglied in die Gemeinde der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth und der jüdischen Glaubensgemeinschaft, wie es bis heute noch Brauch ist. Jesu Geschichten und Reden spielen immer wieder direkt oder indirekt auf die jüdische Bibel an, die wir das Alte Testament nennen – besser wäre, es das Erste Testament zu nennen. Als Jesus stirbt, spricht er bei Matthäus, Markus und Lukas Sätze aus den Psalmen im Ersten Testament.
Jesus wusste sich zugehörig zum von Gott erwählten Volk. Zugleich erweiterte er diese Erwählung auf alle Menschen, die getauft werden und den Willen Gottes tun.
Was genau ist der Wille Gottes? So wird Jesus gefragt. Ein Schriftgelehrter will von Jesus wissen, welches das wichtigste Gebot ist. Jesus antwortet ihm, ohne zu zögern mit dem jüdischen Glaubensbekenntnis: „Höre Israel“ und sagt dabei dreierlei in einem: Der Herr unser Gott ist der einzige Gott; und du sollst ihn lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Und dann, als Jesus erkennt, dass der Frager ihn versteht, sagt er noch zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes (Markus 12,28-34).
Wir merken, wie nahe wir mit dem christlichen Glauben dem jüdischen Glauben sind, obwohl wir uns in Vielem unterscheiden. Was Jesus hier „drei in einem“ sagt – nämlich: Gott anerkennen; ihn lieben; den Nächsten lieben wie mich selbst –, ist das gemeinsame Fundament des Glaubens von Christen und Juden. Und das ist wunderbar.
Roland Kusterer
evangelischer Pfarrer
Oberkirch
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