Corona und die Grenzregion
Experten tauschten sich aus

Der Screenshot zeigt in der oberen Reihe von links: Ulrich Reich, Stabsstelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Stadt Oberkirch; Ina Rubbert, Europa-Zentrum Baden-Württemberg, Moderator Markus Knoll und in der unteren Reihe: Prof. Dr. Florian Weber, Universität des Saarlandes, Michael Großer, Infobest Kehl-Strasbourg sowie Oberbürgermeister Matthias Braun.  | Foto: Stadt Oberkirch
  • Der Screenshot zeigt in der oberen Reihe von links: Ulrich Reich, Stabsstelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Stadt Oberkirch; Ina Rubbert, Europa-Zentrum Baden-Württemberg, Moderator Markus Knoll und in der unteren Reihe: Prof. Dr. Florian Weber, Universität des Saarlandes, Michael Großer, Infobest Kehl-Strasbourg sowie Oberbürgermeister Matthias Braun.
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Oberkirch/Stuttgart (st). Die Stelle „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ der Stadt Oberkirch veranstaltete zusammen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa sowie dem Europa-Zentrum Baden Württemberg  eine digitale Diskussionsveranstaltung. 90 Minuten drehte sich alles um das Thema „Corona und die Grenzregion“. Einig waren sich die Teilnehmer, dass die Bürger mehr Europa und weniger Nationalstaat erwarten.

Deutschland hat am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr unter schwierigen Bedingungen übernommen. Die zukünftige Finanzordnung, der Brexit, die Digitalisierung, Klima- und Umweltschutzpolitik – um nur einige Themen zu nennen – standen schon lange vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft auf der Agenda. Seit Anfang des Jahres ist Corona noch hinzugekommen, welches viele Themen in den Hintergrund drängt. Professor Dr. Florian Weber, Universität des Saarlandes, und Michael Großer, deutscher Referent bei der Infobest Kehl/Strasbourg, diskutierten unter der Moderation von Markus Knoll, Hitradio Ohr.

Gemeinsame Heimat

„Grenzen werden von den Bürgern nicht wahrgenommen und jetzt steht plötzlich ein Polizist am Schlagbaum“, beschrieb Michael Großer die Situation des harten Lockdowns im März mit seinen Grenzschließungen. Dies hätten viele Bürger schlicht nicht nachvollziehen können. „Die Grenzschließung im März hat zu großen Problemen geführt“, konnte Weber berichten, der an der Universität des Saarlandes zu den Grenzregionen forscht. „250.000 Pendler waren von einem Tag auf den anderen in der Großregion Saar, Mosel, Luxemburg davon betroffen.“ Beide bestätigten die Auffassung von Moderator von Markus Knoll, dass für viele Bürger es nicht eine Grenzregion sei, sondern vielmehr eine gemeinsame Heimat.

"Mehr Europa gefordert"

„Die Leute fordern mehr Europa in der Situation und weniger Nationalstaat“, stellte Michael Großer klar. Aber die Pandemie-Bekämpfung sei Ländersache und liege nicht in der Kompetenz von Brüssel. Er konnte aber einen großen Lerneffekt zwischen der Grenzschließung im März und dem seit November geltenden leichten Lockdown erkennen. „Die Grenzen blieben diesmal offen. Und die Kommunikation unter den Verwaltungen hat sich auch deutlich verbessert.“ Dies war auch für Weber ein wesentlicher Punkt, dass gerade die Verwaltungen auf lokaler Ebene im engen Dialog bleiben. „Denn die Prozesse laufen nicht nur Top-down sondern auch Bottom-up.“ Er verwies dabei, dass nicht der Begriff Grenz- sondern Verflechtungsräume die Situation besser beschriebe. In der Diskussion brachte Wolfgang Dietz, Oberbürgermeister von Weil am Rhein, es auf den Punkt: „Die Menschen begegnen sich im Drei-Länder-Eck und der Virus unterscheidet nicht nach Nationalstaaten. Daher sind identische, einheitliche Maßnahmen notwendig.“ Die Synchronizität der Maßnahmen in der Grenzregion habe gefehlt. „Die Dynamik der Pandemie führt zu schwierigen Situationen und stellt uns vor eine Bewährungsprobe“, unterstrich sein Oberkircher Oberbürgermeisterkollege Matthias Braun.

Netzwerke wurden durch Corona enger

Die positiven Entwicklungen wurden in der Diskussion auch nicht übersehen. „Bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gilt es dicke Bretter zu bohren und einen langen Atem zu haben“, verdeutlichte Florian Weber. „Doch durch die Corona-Pandemie sind die Netzwerke enger geworden.“ Er habe den Eindruck gewonnen, dass auf Landes- und Regionalebene die Besonderheiten nun klar seien. „Blockaden werden nicht mehr als sinnvoll erachtet.“ Die vertieften Netzwerke konnte auch Michael Großer bestätigen. Man treffe sich nun wöchentlich zum virtuellen Austausch und nicht mehr halbjährlich. Das gemeinsame Fazit lautete auch, dass auch in der Pandemie bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit pragmatisch am Bürger orientiert zu handeln sei. Die Bürger sind zusammengerückt und verstehen sich als Menschen eines Raums, wurde beobachtet. Ein positives Beispiel sei dabei die Behandlung von schwersterkrankten Covid-19-Patienten aus dem Elsass in der Schweiz und Baden-Württemberg und anderen Bundesländern. Diese spontane Hilfsbereitschaft wurde erst neulich in einem Beistandspakt zwischen der Région Grand Est, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg niedergeschrieben. „Berlin, Stuttgart und Paris sind weit weg. Dies war vor und wird auch nach Corona so sein.“ Die lokale Zusammenarbeit über die Grenze hinweg werde aber weiter vertieft.

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