Bürgermeisterwahl ohne Wahlmöglichkeit
Ortenau/Lauf. Amtsinhaber Oliver Rastetter steht bei der Bürgermeisterwahl in Lauf am kommenden Sonntag, 6. Juli, als einziger Kandidat zur Verfügung. Vor acht Jahren
gewann der damals 26-Jährige im zweiten Wahlgang. Bange Stunden werden
ihm dieses Mal erspart bleiben. Welche Vor- und Nachteile eine solche
Wahl ohne echte Wahlmöglichkeit hat, erklärt Paul Witt, Rektor der
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl.
„Zuerst muss man sagen, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn nur der Amtsinhaber zur Wahl
steht, weil sich offenbar kein anderer traut, gegen diesen anzutreten“,
unterstreicht Witt. Auch sei der Amtsbonus nach acht Jahren, also einer
ersten Amtsperiode, recht groß, weil der Bürgermeister für den Wähler
noch neu und interessant sei. „Nach 24 Jahren ist das nicht mehr so“,
weiß der Experte. Ernst zu nehmende Mitbewerber gebe es nur dann, wenn
der Amtsinhaber angeschlagen sei. Dabei spreche er nicht von
irgendwelchen Juxkandidaten, wie etwa der Nein-Partei, betont Witt.
„Solche Gegenkandidaten haben wir neben dem Amtsinhaber recht oft dabei.
Im Endergebnis spielen sie aber keine Rolle, das bleibt das gleiche.“
Allerdings besage eine Studie von Timm Kern, die 2008 unter dem Titel „Warum
werden Bürgermeister abgewählt“ erschien und den Zeitraum von 1973 bis
2003 untersuchte, dass die Zahl der nicht wiedergewählten Bürgermeister
zunehme – wenn auch nur leicht. „Ich denke dabei an die Wahlen in
Meißenheim 2009 und Neuried im vergangenen Jahr, wo die Amtsinhaber
beide Male recht deutlich aus dem Sattel gehoben wurden“, so der
Hochschul-Rektor. Noch einen interessanten Punkt förderte die Studie von
Timm Kern zu Tage: „Wenn eine Frau gegen den amtierenden Bürgermeister
antritt, hat sie gute Chancen, die Wahl für sich zu entscheiden“,
berichtet Paul Witt. Diesen Umstand habe er auch schon mit seinen
Studenten an der Kehler Hochschule untersucht und sei zu dem gleichen Ergebnis gekommen.
Prinzipiell sieht Paul Witt keine Gefahren für die Demokratie, wenn nur ein Kandidat zur Wahl antritt und es „keine Wahl zu wählen“ gibt. Hier sei allerdings die Wahlbeteiligung das
Zünglein an der Waage. „Bei solch einer Wahl geht es dann darum, den
Amtsinhaber zu stärken. Es ist ein Vertrauensbeweis, wenn die Wahlbeteiligung hoch ist“, betont Witt. Gehe der zur Wiederwahl anstehende Bürgermeister mit zehn Prozent Wahlbeteiligung aus der Wahl, sei dies ein schlechtes Zeichen.
„Bei solch einer Schlappe müsste man sich Gedanken machen, was denn passiert ist.“ Eine
Wahlbeteiligung von unter 35 Prozent bezeichne man als „eher schlecht“,
bei über 35 Prozent spreche man von einer guten Wahlbeteiligung.
Außerdem gibt Witt zu bedenken, dass ein Bürgermeister, der von einem
hohen Prozentsatz der Bevölkerung getragen werde, auch ein weitaus
besseres Standing gegenüber dem Gemeinderat habe. „Umgekehrt ist es dann
eher schwer, sich im Gremium zu behaupten“, so Hochschul-Rektor Paul Witt.
Im Übrigen legt er allen Bürgermeistern, die zur Wiederwahl als einziger Kandidat ins Rennen gehen, ans Herz, einen engagierten Wahlkampf zu machen und um jede Stimme zu kämpfen. „Ganz so, als wenn man Mitbewerber hätte.“ Denn wenn der Wähler merke, dass der Amtsinhaber
gar nichts tue, weder Flyer im Ort verteile, noch zu
Wahlveranstaltungen einlade, quittiere er dies gnadenlos mit Nichtwahl.
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