Opfer des Nationalsozialismus
Stolpersteine für Hedwig und Marlene Herbert

Hedwig und Marlene Herbert in den 1940er-Jahren (undatiertes Bild aus dem Nachlass von Marlene Herbert) | Foto: Stadtarchiv Lahr
  • Hedwig und Marlene Herbert in den 1940er-Jahren (undatiertes Bild aus dem Nachlass von Marlene Herbert)
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Lahr (st). In Lahr erinnern 70 Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus. Im Herbst kommt der Künstler Gunter Demnig nach Lahr, um weitere sieben Stolpersteine zu verlegen. Sie erinnern an den SPD-Mann Kamill Delfosse, die jüdische Familie Krause, Erich Rothmann, der zwangssterilisiert wurde, und an Hedwig und Marlene Herbert. Gunter Demnig erinnert seit 1996 an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen in 1.265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas Stolpersteine.

Für Hedwig und Marlene Herbert werden vor dem Haus in der Obertorstraße 19 Stolpersteine verlegt. Hedwig Herbert, geborene Segall, und ihre Tochter Marlene Herbert haben die Zeit des Nationalsozialismus überlebt. Dennoch waren sie als (Halb-) Jüdinnen diskriminierenden Verordnungen und Maßnahmen ausgesetzt und wurden zu Verfolgte des Nationalsozialismus.

Verfolgung

Hedwig Segall wurde 1891 in Burkowitz, Kreis Schwetz, im heutigen Polen geboren. Im August 1923 heiratete sie in Berlin den Ingenieur Kurt Herbert. Die Beziehung des Ehepaars Herbert-Segall war in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Kurt Herbert war sechs Jahre jünger als seine Braut. Sie war Mitglied der jüdischen Kultusgemeinde, er evangelisch. Fünf Jahre nach der Hochzeit ließ sich das Ehepaar Herbert-Segall in Lahr nieder, wo am 2. Juli 1929 die Tochter Marlene Melitta zur Welt kam.
Die Meldekarte der Familie Herbert im Stadtarchiv Lahr belegt mehrere Umzüge innerhalb der Stadt. Und sie trägt einen kleinen metallenen Reiter, mit dem die Meldebehörden alle Karten jüdischer Bürger markierten. Bis Ende 1938 waren Juden und Jüdinnen, die mit „nicht-jüdischen“ Personen verheiratet waren, im gleichen Maße von der Verfolgung betroffen wie alle anderen als jüdisch geltenden Menschen im Reich.

Privilegiert und nichtprivilegiert

Nach dem Pogrom im November 1938 setzte sich im Zuge der verschärften antijüdischen Bestimmungen die Unterscheidung zwischen „privilegierten“ und „nichtprivilegierten Mischehen“ durch. Die NS-Behörden wollten damit Protesten von „arischen“ Verwandten der Betroffenen vorbeugen. Die Einstufung einer Ehe hing davon ab, ob die Frau oder der Mann jüdisch war und ob die Kinder nicht-jüdisch erzogen wurden. Diese Vermischung von Konfession, „Rasse“ und Geschlecht unterstreicht die Absurdität der nationalsozialistischen Ideologie und stieß schon damals auf Unverständnis. Kritik kam sowohl von Seiten überzeugter Nazis, die es ablehnten, Juden aus strategischen Überlegungen zu schonen, aber (vereinzelt) auch von „arischen“ Ehefrauen, deren jüdische Männer nicht den gleichen Schutz genossen wie jüdische Frauen nicht-jüdischer Männer.

Da im Falle der Herberts der Mann nicht-jüdisch war, wurde ihre Beziehung als „privilegierte Mischehe“ eingestuft, umso mehr, da auch die Tochter Marlene evangelisch erzogen wurde. Ihre Ehe mit einem christlichen Mann, und nicht etwa ihr 1937 vollzogener Austritt aus der israelitischen Religionsgemeinschaft, schützte Hedwig Herbert davor, im Oktober 1940 nach Gurs deportiert zu werden. Sie gehörte damit zu den ganz wenigen jüdischen Menschen, die in Lahr bleiben konnten. Da ihre Ehe „privilegiert“ war, konnten die Herberts auch in den folgenden Jahren in einer eigenen Wohnung bleiben. Trotzdem war ein „normales“ Leben für die Familie kaum möglich. Das ab Sommer 1942 für „Mischlinge“ geltende Verbot, eine höhere Schule zu besuchen, traf auch Marlene Herbert. Niemand wusste damals, wie lange die Privilegierung wirklich Schutz vor Deportation und Ermordung bietet. Es ist davon auszugehen, dass die Herberts so gut wie möglich über das Schicksal der europäischen Jüdinnen und Juden informiert waren. Die Familie versuchte mit Verwandten und Freunden in Kontakt zu bleiben und schaffte es, Lebensmittel nach Theresienstadt zu schicken. Während sie diese Pakete packte, wird sich Hedwig Herbert besorgt gefragt haben, wann sie selbst abgeholt werden würde.

Lebendige Erinnerung

Hedwig und Marlene Herbert hatten letztlich Glück. Beide wurden nicht abgeholt, haben überlebt und blieben auch nach dem Ende des Krieges in Lahr. Kurt Herbert führte eine Firma für Apparate- und Maschinenbau in der Schwarzwaldstraße. 1961 starb Hedwig Herbert in Lahr. Ihre Tochter Marlene wurde Chemikerin und blieb ebenfalls in Lahr, wo sie 1999 verstarb.
Damit waren sie für ihre Mitbürger eine lebendige Erinnerung an die Vergangenheit und ein stummer Vorwurf. Ob sie auch nach 1945 noch unter Ausgrenzung und Beleidigungen zu leiden hatten, ist nicht bekannt.

Das Schicksal der beiden Frauen macht deutlich, dass Ausgrenzung und Abwertung von Menschen nicht erst dann zum Unrecht wird, wenn sie in tödlicher Gewalt endet - das ist die Botschaft der Stolpersteine heute.

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