Traumberuf
Günther Petry war 16 Jahre Oberbürgermeister in Kehl
Kehl. Wenn sie ihren Beruf nennen, bekommen andere leuchtende Augen. Schon kleine Kinder erklären, später einmal genau in einem solchen Job arbeiten zu wollen. Doch sind diese Traumberufe tatsächlich nur mit Freude verbunden oder gibt es auch Schattenseiten? In unserer Serie haben wir diejenigen gefragt, die es wissen müssen. Christina Großheim sprach mit Dr. Günther Petry, der 16 Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt Kehl war.
"Oberbürgermeister ist ein toller Beruf", sagt Günther Petry. "Weil er ein Beruf für Generalisten ist. Ich kann mich mit allem, was interessant ist, beschäftigen: Städtebau, Feuerwehr, Kultur, Kindererziehung – und das in beliebiger Tiefe. Es geht in diesem Beruf aber nicht nur um die Fachgebiete, sondern vor allen Dingen um den Umgang mit Menschen. Deshalb ist es für mich ein Traumberuf." An dieser Einstellung haben auch seine 16 Amtsjahre nichts geändert. "Es war der schönste Beruf, den ich hatte, und es ist gut, dass ich ihn nicht mehr habe", erklärt Günther Petry, denn heute könne er wieder unabhängiger und freier sein, als während seiner Amtszeit.
"Political Correctness ist kein Thema mehr", zeigt er sich zufrieden mit seiner Entscheidung, nicht noch eine dritte Amtszeit angestrebt zu haben. "Ich habe meine Freiheit wieder. Dennoch kann ich jederzeit wieder die OB-Brille aufsetzen und das anwenden, was ich gelernt habe." Einfach zu sagen "Alles Quatsch", sei deshalb nicht so leicht möglich. "Man darf aber, wenn man die OB-Brille aufsetzt nicht vergessen, dass man es nicht mehr ist", fügt er hinzu.
"Ich bin schon recht früh in der Kommunalpolitik in Freiburg gelandet, als ich Referent des damaligen Freiburger Oberbürgermeisters Rolf Böhme wurde." Später wechselte Petry als Geschäftsführer in die Freiburger Stadtbau, bevor sich der studierte Volkswirt entschied, sich 1997 im Alter von 48 Jahren um das Amt des Oberbürgermeisters in Kehl zu bewerben: "Der Beruf hat drei Facetten: Man ist Unternehmensleiter, Chef-Politiker und Frühstücksdirektor", umreißt Petry unkonventionell das Aufgabenspektrum. Letzteres sei der Fall, wenn ein Oberbürgermeister die Stadt nach außen hin repräsentiere.
Die Leitung einer Stadtverwaltung fordere den Unternehmensleiter. "Schließlich geht es da auch um die Führung der Mitarbeiter", so Petry. Eine andere Art der Führung sei in der Funktion als Vorsitzender des Gemeinderates gefragt. "Da ist man auch Chef-Politiker." Es habe ihn schon immer gereizt, das, was er für notwendig halte, gut zu erklären, so dass er verstanden werden konnte, und für sein Anliegen zu werben: "Wenn man seine eigenen Gründe darlegt, wird man auch ernst genommen." Es müsse aber auch klar sein, dass es nicht den einen Weg gebe. "Alternativlos", so Petry, "ist in der Kommunalpolitik nichts." Damit ein Projekt akzeptiert werde, gerade wenn es dazu Kontroversen gebe, sei es wichtig, von vorneherein davon überzeugt zu sein, so dass es angenommen werde. "Das ist mir mit der Landesgartenschau und dem Bau der Passerelle genauso gelungen wie mit der Fortführung der Tram von Straßburg nach Kehl", stellt Petry fest und räumt ein: "Da hatte ich aber auch Glück."
Welcher Weg ins Amt der richtige ist, lässt der Kehler Alt-OB offen. "Für mich war es richtig, dass ich mit 48 Jahren gewählt wurde", sagt er rückblickend. "Aber für andere mag es anders sein. Auf das Alter kommt es nicht so an. Man muss ein bisschen mutig sein, eine gewisse Standfestigkeit haben und im Kopf beweglich sein", zählt Petry die für ihn ausschlaggebenden Qualitäten eines Bürgermeisters oder Oberbürgermeisters auf. "Man muss aber auch Abstriche akzeptieren können. Dabei muss man aber schon eine Vorstellung von dem haben, wie es wäre, wenn man es alleine bestimmen könnte."
Allerdings könne ein Oberbürgermeister nur wenig im Alleingang in einer Stadt bestimmen. "Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der Stadt, er ist nicht das Kontrollorgan", macht er deutlich. "Alle wichtigen Entscheidungen trifft nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat und das muss man leben." Deshalb findet er, es schade nicht, wenn ein Bürgermeister einmal selbst Gemeinderat gewesen sei.
"So lernt man den Unterschied zwischen Beruf und Ehrenamt kennen", findet Petry. Denn die gewählten Gemeinderäte würden sich im Ehrenamt mit komplexen Sachverhalten beschäftigen. "Als Oberbürgermeister im Gemeinderat war ich einer von 27, aber ich war der einzige Profi. Ich hatte das gesamte Fachwissen der Verwaltung zur Verfügung", zollt Petry der Leistung der Gemeinderäte Achtung. Für ihn ist dieses Zusammenspiel zwischen freiwilligem Ehrenamt und Professionalität sehr gelungen. "Der Mechanismus ist deshalb intelligent, weil die Hauptämter durch den gesunden Menschenverstand überprüft werden von Menschen, die auf diesem Sachgebiet keine Profis sind. Dabei kann keiner abheben."
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