Infotafeln aufgestellt
Schildkröten bedrohen heimische Natur
Kehl (st). An warmen Sommertagen sieht man sie häufig beim Sonnenbaden: Die Schmuckschildkröten im Altrhein fühlen sich dort anscheinend richtig wohl. Denn obwohl sie naturgemäß dort gar nicht vorkommen, vergrößert sich ihre Anzahl stetig. Eine Infotafel an der Altrhein-Brücke am Krankenhaus gibt seit dieser Woche Auskunft über den richtigen Umgang mit - vor allem gefundenen - Schildkröten. Die augenscheinlich gemütlichen Tiere sind nämlich nicht nur eine Attraktion für Spaziergänger, sondern stellen auch ein Problem für die Umwelt dar.
Bedrohung
Schildkröten, die sich auf Totholzästen im Altrhein sonnen, sich ins Wasser gleiten lassen, dicht unter der Wasseroberfläche schwimmen oder ab- und auftauchen, sind für Kinder und Erwachsene interessant zu beobachten. Und wer würde wohl erwarten, dass von den Panzertieren eine ernsthafte Bedrohung für die einheimischen Tiere und die Natur ausgeht? „Da die Schildkröten keine heimische Art sind, haben sie hier auch keine natürlichen Fressfeinde“, weiß die städtische Umweltreferentin Ann-Margret Amui-Vedel zu berichten. Zudem ernähren sich die Tiere neben Pflanzen bevorzugt auch von tierischer Nahrung. Dies stelle eine ernsthafte Bedrohung für geschützte Amphibien und deren Nachwuchs dar.
Population wächst
Seit vielen Jahren beobachtet man laut der städtischen Umweltreferentin, dass sich am Altrhein Schildkröten befinden. Woher diese stammen, lasse sich nicht hundertprozentig sagen. „Wir gehen allerdings davon aus, dass die Tiere ursprünglich als Haustiere gehalten wurden und die Besitzer sie – aus welchen Gründen auch immer – ausgesetzt haben.“ Mittlerweile pflanzen sich die Schildkröten am Altrhein fort, wodurch sich die Population zusätzlich vergrößert. Bereits häufiger wurden Eier gefunden. Auch bei bereits geschlüpften Tieren könne man anhand der geringen Größe teilweise davon ausgehen, dass diese am Altrhein zur Welt gekommen sind und nicht ausgesetzt wurden.
Und die Tiere breiten ihr Gebiet weiter aus: Auch im Naturschutzgebiet Sundheimer Grund sowie am Steinlöchel in Sundheim und an drei kleineren Gewässern südlich des Kronenhofs, Hirschfeld, Wöhrlin-Gelände und Muckewadel, seien bereits Exemplare gesichtet worden, sagt Ann-Margret Amui-Vedel. Die Mitglieder des Kehler Angelsportvereins angeln regelmäßig am gepachteten Steinlöchel; auf dem Wöhrlin-Gelände, welches Privateigentum des Vereins ist, wird außerdem Jugendarbeit betrieben. „An beiden Gewässern haben wir in der letzten Zeit mehrere Schildkröten unterschiedlicher Größe gefunden“, berichtet Pascal Wagner, Erster Vorsitzender des Vereins. Weiterhin habe man im Privatweiher bereits bemerkt, dass die Anzahl der jungen Fische gesunken ist. „Das kann zwar auch durch den Kormoran bedingt sein, wir werden das allerdings weiter im Auge behalten.“ Sowohl am Steinlöchel als auch am Muckewadel werden in den nächsten Wochen Infotafeln angebracht.
Bußgeld
Insgesamt gibt es am Altrhein sechs exotische Arten von Schildkröten, darunter auch die Gelbwangenschildkröte und die Rotwangenschildkröte. Da diese beiden Arten eine dauerhafte Gefahr für die heimische Natur darstellen, wurden sie von der EU im Jahr 2016 als invasiv eingestuft: Mit ihnen darf ohne behördliche Erlaubnis weder gezüchtet noch gehandelt werden. Außerdem ist es verboten, sie in der freien Natur auszusetzen. Das Bußgeld beträgt bis zu 10.000 Euro. Erst diese Woche haben Kinder des Kindergartens St. Josef zwei noch sehr kleine Schildkröten im Außenbereich der Einrichtung entdeckt; darunter ein frisch geschlüpftes Exemplar der Rotwangenschildkröte.
Dass die süßen Tiere eine ernsthafte Gefahr darstellen, ist vielen nicht bewusst. In einem mehrwöchigen Kurs der Hector Akademie haben die teilnehmenden Kinder auch mit Anwohnern am Altrhein gesprochen, was sie von den exotischen Schildkröten halten: Mehr als drei Viertel der Befragten finden es gut, dass sich am Altrhein Schildkröten niedergelassen haben; fast genauso viele Befragte sehen dies zudem als unbedenklich an. Mehr als die Hälfte ist außerdem der Meinung, dass die Tiere in Ruhe gelassen werden sollten.
Wer Schildkröten oder ein Gelege bei sich oder im Freien gefunden hat, soll dies dem Fachbereich Umwelt telefonisch unter 07851/884321 zu melden. Alle bisher gefundenen Schildkröten wurden in eine Auffangstation nach München gebracht. Auch die im Kindergarten entdeckten Exemplare werden noch vor den Sommerferien dorthin geschickt. Die Kosten für die Sendung einer Transportbox liegen laut der städtischen Umweltreferentin bei bis zu 50 Euro. Sie erläutert zudem: „Je nach Größe der Tiere passen ein bis fünf Tiere in eine Box.“ Daher sei es sinnvoll, bei kleineren Tieren zunächst mehrere zu sammeln und diese dann gemeinsam in einer Sendung nach München zu bringen.
Infotafel
„Mit der nun aufgestellten Infotafel möchten wir ein Bewusstsein schaffen für den richtigen Umgang mit den Schildkröten – sowohl bei den Haltern als auch in der allgemeinen Bevölkerung“, erläutert die städtische Umweltreferentin. So oder so sei das Aussetzen von Schildkröten gefährlich – sowohl für die einheimischen Arten als auch für die ausgesetzten Panzertiere selbst: „Diese Tiere kommen häufig aus subtropischen Ländern und sind hohe Temperaturen gewohnt, weshalb sie in kalten Wintern krank werden und sterben können.“
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