Für Opfer der „Euthanasie“
14 neue Namen im Gedenkraum
Achern (st). Am 4. Oktober 1940, also vor 80 Jahren, wurden die letzten kranken Menschen aus der Heil- und Pflegeanstalt Illenau in die Psychiatrie nach Emmendingen verlegt. Aus diesem Anlass war eine Gedenkveranstaltung mit der Stadtverwaltung Achern und dem Förderkreis Forum Illenau e.V. geplant, die aufgrund von Corona abgesagt wurde.
Die Verlegung der Patienten stand im Zusammenhang mit der Schließung der Illenau als Heil- und Pflegeanstalt. Von diesen Kranken ist ein Viertel dem sogenannten „Euthanasie“-Programm der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen, was bedeutet, dass sie ermordet wurden.
Gedenkraum in Illenau Arkaden Museum
Die Anstalten meldeten bereits im Jahr 1939 Patienten, die an bestimmten Krankheiten litten, seit mindestens fünf Jahren dort waren, als kriminelle Geisteskranke verwahrt waren oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen oder nicht „deutschen oder artsverwandten“ Blutes waren. Diese „Ballastexistenzen“ stuften die Nationalsozialisten als „Lebensunwerte“ ein, die es nicht mehr verdienten, weiterzuleben. Von 671 Kranken der Illenau sind im Jahr 1940 mindestens 260 in Grafeneck und in Hadamar ermordet worden. Ihnen ist ein Gedenkraum im Illenau Arkaden Museum gewidmet. Auf Namenstafeln wird der Opfer gedacht, um ihnen neben ihrem Namen ihre Würde wieder zurückzugeben.
Große Dankbarkeit bei Angehörigen
Wie wichtig das gerade für Angehörige ist, zeigen Nachrichten an die Stadtarchivarin Andrea Rumpf, die seit über fünfzehn Jahren an den Namen der Opfer und ihren Schicksalen forscht: „Danke sagen möchte ich Ihnen für Ihren Brief vom 31. Januar 2017 mit den nun richtigen Angaben über Todestag und Tötungsart meiner lieben Mutter Klara Lang, für die Aufnahmen der Gedenktafel und -wand. Die jetzt neuen Tatsachen muss ich erst einmal verarbeiten, aber ich empfinde große Genugtuung und Dankbarkeit, dass man, auch nach so langer Zeit, für die Euthanasie-Opfer diese Gedenkstätten schafft und die Erinnerung an die Verbrechen wach hält.“ Klara Lang hatte nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter eine Depression, die in der Illenau behandelt wurde. Die Tochter hat ihre Mutter nie kennengelernt.
Karl Bär aus Önsbach war vier Jahre alt, seine Schwester Maria zehn, als es hieß „Onkel Ignaz ist gestorben.“ Ignaz Bär war Patient in der Illenau und Maria kannte Ignaz gut, schließlich hatte sie ihn mit ihrer Mutter öfters in der Anstalt besucht. Schweigen herrschte in der Familie über den Tod. Der kleine Karl Bär bemerkte, dass die Schlafkammer von Ignaz nun leer war – er kam nicht mehr auf Besuch nach Hause. Niemand wusste, was mit ihm wirklich geschehen war. Es gab keine Beerdigung, kein Grabstein erinnerte an ihn. Maria war mit 85 Jahren sehr erleichtert, als sie seine Namenstafel 2015 im Gedenkraum gesehen hat. Jetzt wusste sie, dass man ihn eben nicht vergessen hat. Bis dahin hat sie diese Ungewissheit über sein Schicksal begleitet.
Stadtarchivarin nimmt Spurensuche auf
Mittlerweile melden sich Angehörige von ermordeten Kranken bei Andrea Rumpf im Stadtarchiv, weil sie die Namen ihrer Verwandten im Gedenkraum vermissen. Die Stadtarchivarin kann so die Spurensuche aufnehmen. Hilfreich sind dabei auch ihre gute Vernetzung mit anderen Forschern sowie die Sensibilisierung in der Gesellschaft für das Thema der „Euthanasie“ auf regionaler Ebene. So füllen sich nach und nach die letzten leeren Namenstafeln im Gedenkraum und aus den Opfern werden statt einer Zahl auf einer Deportationsliste wieder Menschen mit einem Namen.
An die folgenden 14 ermordeten Frauen und Männer im Alter von 29 bis 64 Jahren erinnern nun neu hinzugekommene Namenstafeln im Gedenkraum des Illenau Arkaden Museums: Maria Franziska Eisele (Bühl), Ambros Feuerer (Kappelwindeck), Nikolaus Füller (Gamshurst), Sofie Hahn (Karlsruhe), Katharina Kästel (Forchheim), Anna Blandina Kappler, geb. Bellem (Mörsch), Erich Kloß (Görlitz), Kasimir Lingenfelder (Lautenbach), Elise Ludwig (Bühl), Marie Stösser (Bühl), Erwin Würth (Durlach), Olga Zäpfel (Karlsruhe), Pauline Ziegler, verw. Stemmle, geb. Gall (Zavelstein), Reinhard Zugschwert (Karlsruhe).
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