Richard Eberle wird 100
Mit großem Lebensmut zurück in die Freiheit
Schutterwald Wenn Richard Eberle aus seinem Leben erzählt, merkt man schnell, dass man einer Person gegenübersitzt, die kaum Vorstellbares, Extremes erlebt hat – eigentlich ein Stoff für Bücher und Filme.
Angefangen hat es für den gebürtigen Gengenbacher aber ganz normal. Nach der Schule absolviert er eine Lehre als Maurer. "Ich hatte die Idee, mit meiner Ausbildung vielleicht auch einmal im Ausland arbeiten zu können", erzählt er. Ins Ausland kommt er dann auch, aber nicht um zu arbeiten, sondern um Krieg zu führen.
Schwer verwundet in Kriegsgefangenschaft
Der Zweite Weltkrieg durchkreuzt alle Lebenspläne. Nach Stationen unter anderem in Frankreich und Weißrussland ist der damals 21-jährige Eberle 1944 eigentlich auf Fronturlaub. Die militärische Lage bringt ihn aber postwendend zurück an die Front nach Wilna in Litauen. Dort soll er mit seinen Kameraden einen Flugplatz gegen die vorrückende Rote Armee verteidigen. Hierbei wird er schwer verwundet: er bekommt einen Schlag von einer Panzergranate ab, die linke Gesäßhälfte wird abgetrennt, zudem erleidet er zwei Oberschenkeldurchschüsse und einen Hodendurchschuss. Er hat heute immer noch Splitter in seinem Körper. "Bei mir ist wegen der Splitter in Fuß und Rücken bis heute keine Untersuchung in einem Computertomografen möglich", erzählt Eberle. Das Lazarett, in das er gebracht wird, wird schließlich von der russischen Armee eingenommen. Eberles Leben nimmt erneut eine extreme Wendung. Er gerät in russische Kriegsgefangenschaft, in der er die nächsten elf Jahre seines Lebens in unterschiedlichen Arbeitslagern verbringt.
1947 darf er das erste Mal nach Hause schreiben – 25 Wörter. So erfährt seine Familie, dass er noch am Leben ist. 1949 ist das dunkelste Jahr seiner Leidenszeit. In einem Schauprozess wird er zum Tode verurteilt. Im gleichen Jahr stirbt seine Mutter. Wegen des Todesurteils, das später in 25 Jahre Lagerhaft umgewandelt wird, darf er vorerst nicht mehr schreiben. Er kommt nach Workuta, einem der härtesten Zwangsarbeitslager im Gulag-System. Etwa alle zwei Jahre wird er verlegt. "Das sollte verhindern, dass man Freundschaften schließt." Während seiner ganzen Leidenszeit verliert er nie den Lebensmut. "Ich war ja nie alleine, das hat mir auch in mancher schweren Stunde geholfen, durchzuhalten."
Einer der letzten Kriegsheimkehrer
1955 erreicht der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die Freilassung der letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen. Eberle ist auch auf der Liste. In Gengenbach läuten die Glocken bei seiner Ankunft, die Kinder haben schulfrei, eine riesige Menschenmenge begrüßt ihn wieder zu Hause. "Die Freude war natürlich groß, aber die Situation hat mich auch ein wenig überfordert."
Das Eingewöhnen zu Hause fällt ihm schwer. Sein Vater hat wieder geheiratet und Nachwuchs mit der neuen Frau bekommen. In seinem alten Beruf kann er nicht mehr arbeiten. Er bekommt schließlich eine Anstellung beim Flurbereinigungsamt in Offenburg.
1956 nimmt sein Leben eine erneute Wendung, diesmal eine positive. Er lernt Elisabeth kennen. 1957 wird geheiratet. "Meine Frau hat mich wieder zurückgebracht ins Leben", erzählt Eberle sichtlich bewegt. Musik war die Leidenschaft der beiden. Eberle spielt Steierische Harmonika, seine Frau Orgel. Vor einem Jahr stirbt sie – für Eberle ein großer Verlust. Er spielt immer noch fast jeden Tag. Seit 17 Jahren spielt er einmal im Monat im Seniorenheim in Müllen, aus lauter Dankbarkeit für sein langes Leben, wie er sagt. "Die Musik hält mich jung und fit." Und das will er auch bleiben, denn am 21. Februar feiert er seinen 100. Geburtstag.
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