Theaterpremiere über Gertrud von Ortenberg
"Fast eine Heilige" auf der Bühne
Ortenberg (djä). "Dis ist von dem heiligen leben der seligen frowen" – so beginnt auf mittelhochdeutsch der Vierakter, der am Samstag in der Schlossberghalle uraufgeführt wird. Wilhelm von Ascheraden, Vorsitzender von "Soziales Ortenberg" und evangelischer Pfarrer im (Un-)Ruhestand, hat das Bühnenstück geschrieben.
Bei der Gründung der Ortenberger Bürgerstiftung 2014 fragte er sich, was es mit der Dame auf sich hatte, die der Stiftung als "Dorfheilige" ihren Namen lieh. Je mehr er sich mit ihrer Geschichte befasste, umso faszinierter war er. "Ich las mich ins Mittelhochdeutsche ein und entdeckte eine bemerkenswerte Frau", sagt er heute. Er fand es erstaunlich, dass sie in Vergessenheit geraten war, nachdem sie lange Zeit in der Region hohe Verehrung genossen hatte. Von Ascheraden beschloss, den Ortenbergern "ihre Gertrud" in einem Bühnenstück neu vorzustellen.
Nun ist nach fast einjähriger Probenzeit aus dem Plan Wirklichkeit geworden. In drei Vorstellungen bringen Laienschauspieler in 35 Sprechrollen, Komparsen und Musiker die Lebensgeschichte der Mystikerin in die Schlossberghalle. Gertrud von Ortenberg, gespielt von Regina Heilig, wurde als Tochter des Ritters Erkenbold auf der Burg Ortenberg geboren. Unklar ist das Jahr: von 1275 bis 1285 wird genannt.
Nach dem Tod ihres Mannes Ritter Rickeldey von Ullenburg, dargestelllt von Wilhelm von Ascheraden, lebte sie als Begine unter anderem in Straßburg. Beginen waren Angehörige einer christlichen Gemeinschaft, die keine Ordensgelübde ablegten und nicht in Klausur lebten. Gertrud widmete sich karitativen Aufgaben und verwirklichte in zu dieser Zeit außergewöhnlicher Selbständigkeit ihre religiöse Lebensform. Eine Gnadenvita berichtet über ihre von mystischer Spiritualität geprägte Lebensführung.
"Jutta Collmann, Ortenberger Germanistin und Historikerin, hat den Text aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt, sonst hätte ich die Herausforderung nicht gemeistert", erzählt von Ascheraden. Bianca Kiefer, Vorsitzende der örtlichen Theatergruppe, übertrug Teile der Dialoge in Mundart. Sie spielt die Begine Heilke von Staufenberg, Begleiterin und Freundin Gertruds. "Zuerst waren wir unschlüssig, ob wir dieses ernste historische Stück meistern würden. Aber unser Spielleiter war ein Glücksgriff. Wir haben so viel von ihm gelernt", sagt Kiefer.
Regisseur Christopher Kern, Leiter der "Theaterbühne im Keller" in Lahr, sah die Realisierung des Historienstücks auch als Herausforderung. "Ich habe die Rollen intuitiv besetzt. Viele Darsteller kommen aus Ortenberg. Es spielen aber auch ,Externe' aus der Umgebung mit, von Offenburg bis Ettenheim", so Kern. Er ist beeindruckt von dem Potential der Amateure und ihrem Zusammenwirken. Das Theaterstück macht Ortenberger Kulturgeschichte in verschiedenen Sprachfärbungen zugänglich und erlebbar. Die vier Akte mit 48 Szenen werden vor wechselndem Bühnenbild gespielt. Die Zuschauer sehen in den mittelalterlichen Schlosshof in Ortenberg, auf die Straßen und ins Münster in Straßburg und auch nach Offenburg.
Ein so großes, ambitioniertes Projekt braucht Sponsoren. Die Gertrud-von-Ortenberg-Bürgerstiftung, die außer Kunst und Kultur auch die Mundart fördert, unterstützt das Theaterprojekt finanziell. Neben der Bürgerstiftung Ortenberg fördern die Regionalstiftung der Sparkasse Offenburg/Ortenau und das E-Werk Mittelbaden das Projekt. In der Poststelle Ortenbergs sind noch Karten für die Vorstellungen am 28. und 29. Oktober im Vorverkauf erhältlich, für die Premiere sind nur noch wenige Plätze frei.
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