Aufgaben des Stadtarchivs klar definiert
Mit nur wenig Aktenmaterial größtmögliche Überlieferung
Lahr (ds). Als "Gedächtnis der Stadt" wird es gemeinhin bezeichnet und mit 1.800 laufenden Metern stößt es in Lahr langsam an seine Kapazitätsgrenzen: 80 Prozent des Stadtarchivs, vielmehr dessen Magazins, sind derzeit belegt. "Es ist absehbar, dass in den kommenden zehn Jahren die Regale voll sein werden", berichtet Stadthistoriker und Leiter des Stadtarchivs Thorsten Mietzner. Noch ist die Frage aber nicht geklärt, wie man mit der Situation umgehen wird. Aktuell sieht Mietzner zwei Möglichkeiten: "Wir können alles digitalisieren und das Papier wegwerfen, wenn das Dokument sonst keinen weiteren Archivwert mehr hat, oder wir bauen ein neues Magazin." Schließlich muss das Stadtarchiv auch künftig seinen beiden Hauptfunktionen nachkommen können.
"Zum einen verpflichtet uns, und natürlich alle anderen Kommunen auch, das Landesarchivgesetz, Akten, die nicht mehr gebraucht werden, zu archivieren beziehungsweise sie ordnungsgemäß zu vernichten, wenn sie keinen Archivwert haben", erklärt der Leiter des Stadtarchivs. Zehn bis 15 Mal pro Jahr bekommt Thorsten Mietzner Akten aus dem Büro eines Kollegens geliefert, manchmal stapel- oder sogar kistenweise. "Meine Aufgabe ist es dann, mit möglichst wenig Material eine möglichst große Überlieferung sicherzustellen", erklärt Mietzner. Hierbei spielen historische Kriterien allerdings keine Rolle, sondern es gilt, das Handeln der Stadt zu archivieren. "Mein Wunsch wäre es, mit nur fünf Prozent der Akten die komplette Tätigkeit der Verwaltung widerzuspiegeln. In der Regel schaffe ich es aber nur, 30 bis 40 Prozent wegzuwerfen", bedauert er und unterstreicht: "Was wir heute archivieren, wird in zehn Jahren Grundlage der Geschichtsschreibung sein."
Eine weitere Aufgabe des Stadtarchivs besteht darin, historische Dokumente zu verwalten. So ist die Stadt Lahr beispielsweise im Besitz von mittelalterlichen Urkunden oder von Akten aus dem 17 Jahrhundert bis hin zu Aktenmaterial aus dem 20. Jahrhundert. Hinzu kommen Überlieferungen wie Zeitungen und Zeitschriften sowie Bildmaterial. "Alles, was auf Papier gedruckt ist, lagert im Stadtarchiv, alles Dreidimensionale kommt ins Museum", berichtet Stadthistoriker Mietzner. Als er jüngst zur Eröffnung des neuen Stadtmuseums Tonofenfabrik aber das Bürgerbuch abgeben musste, blutete ihm schon das Herz: "Es ist, als ob man ein Kind aus der Hand gibt, weil es erwachsen geworden ist." Das Bürgerbuch stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist die wertvollste Archivalie in Lahr, weil es nicht nur schön anzuschauen ist, sondern auch einen Blick in den mittelalterlichen Alltag ermöglicht, mit Namen der Bürger, Berufen und Wohnorten. Wenngleich es konservatorisch das Beste ist, bedauert Thorsten Mietzner, dass das Bürgerbuch in der Tonofenfabrik jetzt hinter Glas verschlossen ist und es nicht mehr benutzt werden kann, etwa als Forschungsobjekt oder beim Besuch von Schulklassen. "Wir haben es aber mit einer Medienstation erschlossen", so Mietzner.
Zu den wertvollsten Stücken im Lahrer Stadtarchiv gehören außerdem mehrere hundert mittelalterliche Urkunden aus Pergamentpapier, sehr alte Zeitungsbestände bis 1850 sowie eine Reihe alter Gemeinderatsprotokolle aus der Zeit um 1700, in denen es vor allem um Gerichtsentscheidungen geht. Nach und nach übernimmt das Stadtarchiv auch Archivalien aus den Ortsteilen. Darüberhinaus sammelt es jenseits seiner gesetzlichen Aufgabe private Nachlässe, die teils im Museum zu sehen sind. "Oft sind die Briefe, Tagebücher und Fotos eine wertvolle Ergänzung zu den Aktenarchiven", betont Thorsten Mietzner. Die Archivalien sind alle so aufbereitet, dass sie genutzt werden können. Dazu sind Kommunen gesetzlich verpflichtet. Ebenso muss der interessierte Bürger Zugang haben: "200 bis 300 Besucher nutzen jährlich unser Stadtarchiv", berichtet Mietzner.
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