Nach Präsentation des Klinikgutachtens
Erste Positionierung des Lahrer Oberbürgermeisters

Lahr (st). In den vergangenen Jahrzehnten haben die Landräte des Ortenaukreises dem Klinikum Lahr-Ettenheim immer wieder zugesichert, dass eine gleichgewichtige Entwicklung zwischen Lahr und Offenburg gefördert wird. Zuletzt hat dies Landrat Frank Scherer bei der Einweihung des Bettenhauses am 28. November 2017 in Lahr geäußert. Dies entspricht dem Geist und Wortlaut des Übergabevertrags von 1976, in dem die Modalitäten zwischen der Stadt Lahr und dem Ortenaukreis für die Übergabe des Lahrer Klinikums geregelt wurden. Die baulichen Investitionen am Standort Lahr in den vergangenen 15 Jahren waren mit 75 Millionen Euro beträchtlich. Diese Investitionen wurden durch Eigenmittel des Lahrer Klinikums und Fördermittel finanziert. Gleichzeitig war aber festzustellen, dass über die Jahre wichtige Funktionen von Lahr nach Offenburg verlagert worden sind. Zuletzt war dies bei der Apotheke der Fall.

Diese Tatsache und die diesbezüglichen Erfahrungen prägen die Haltung vieler Lahrer. Hierzu gehören die Mitglieder des Lahrer Gemeinderates und die Mitglieder des Freundeskreises Klinikum Lahr.

Zunächst aber müssen die Aussagen der Gutachter offen bewertet, aber auch hinterfragt werden. Danach wird es weitere Verlautbarungen des Oberbürgermeisters geben.

Aus Lahrer Sicht ist zu prüfen, in wieweit die nun vorgeschlagenen Funktionsteilungen und entsprechende Zusicherungen, insbesondere zwischen Lahr und Offenburg, tatsächlich langfristig Bestand haben werden, um die gleichgewichtige Entwicklung möglich zu machen. Denn selbstverständlich wird es keinen Stillstand in den für die Gesundheitspolitik relevanten Bereichen wie Demografie, Medizintechnik, Arbeitsmarkt, Mobilitätsverhalten und so weiter geben. Die Erfahrung zeigt, dass immer wieder am Leistungsspektrum des Lahrer Klinikums Abstriche vorgenommen wurden.

Zentral wichtig ist, dass die nun zu beschließende Struktur so gewählt wird, dass sie in sich nicht die Tendenz und den Zwang zu weiteren Verlagerungen von Lahr nach Offenburg trägt. Sie darf kein Zwischenschritt oder eine Etappe zu einer weiteren Gewichtsverlagerung nach Offenburg sein, die immer weiter damit begründet wird, dass es funktionell und wirtschaftlich geboten sei. Die Fortsetzung eines derartigen Abschmelzungsprozesses in Lahr beträfe aber nicht nur Lahr alleine, sondern würde zwangsläufig und unabwendbar auch zu einer negativen Entwicklung an den anderen Standorten der Ortenau, auch in Achern oder selbst in Wolfach führen. Nur bei Beibehaltung von zwei großen Klinikstandorten sind auch kleinere Häuser geschützt, die ansonsten einer kräftigeren, langfristig extremen Sogwirkung ausgesetzt wären. Deshalb sind sichernde Zusagen für Lahr gleichzeitig Absicherungen für die kleineren Klinikstandorte.

Deshalb ist es aus Lahrer Sicht bedeutsam, dass bei der Sitzung am Donnerstag festgehalten wurde, die Standorte Lahr und Offenburg als "Häuser der Maximalversorgung " mit Schwerpunkten in den jeweiligen Fachabteilungen zu behandeln. Dies bedarf in den nächsten Wochen einer klaren und dauerhaft verlässlichen Definition und einer Bestätigung durch den Kreistag.

Die polyzentrische Struktur des Ortenaukreises mit fünf großen Kreisstädten und gewachsenen Klinikstandorten darf beim Entwurf einer neuen Kliniklandschaft nicht außer Acht gelassen werden. Deshalb gilt es nochmals intensiv zu prüfen, ob und wie der Standort Ettenheim im Süden der Ortenau, ähnlich wie Achern, eine wichtige und sichernde Rolle übernehmen kann.

Folgende Aspekte sind in der nächsten Zeit noch näher zu analysieren und auszuführen:

1. Eine verlässliche Schwerpunktverteilung innerhalb der Ortenau (Lahr und Offenburg als "Häuser der Maximalversorgung"), gestützt auf einen Kreistagsbeschluss, schützt alle Standorte und schützt die Wertigkeit der getätigten Investitionen ( Festlegung der Schwerpunkte ).

2. Es ist nachvollziehbar, dass Kosten gespart werden sollen, aber Qualität kostet immer Geld. Dabei muss gefragt werden, warum an den Gesundheitsbereich härtere Anforderungen (schwarze Nul!) gestellt werden als beispielsweise an den Sportbereich ( Bau und Unterhaltung von Sportstätten/Fußball/Schwimmbäder) oder den Betreuungsbereich (etwa Bau und Unterhalt von Kindertagesstätten ). Hier spricht niemand von einer schwarzen Null. Warum soll dies (besonders) für Klinikstandorte gelten?

Es ist aber auch zu hinterfragen, wie Dienstleistungen zum Beispiel die Essensversorgung (Essen auf Räder) zentral und kreisweit organisiert werden sollen, ohne Qualitätseinbußen. 

Das heißt, Überprüfung der Vorschläge, bezüglich der Zentralisierung von Dienstleistungen insgesamt.

3. Die Verkehrsanbindung am Oberrhein begünstigt Lahr und Offenburg gleichermaßen und erlaubt die gleichrangige Behandlung der Klinikstandorte. Die Fahrzeiten der Bahn zwischen Freiburg und Offenburg mit dem ICE beziehungsweise zwischen Freiburg und Lahr mit dem Regionalexpress sind praktisch gleich lang. Bei der Anfahrt mit dem PKW liegt Lahr näher.

4. Es ist eine intensive Kooperation zwischen dem Klinikum Lahr und der Herzklinik in Lahr zu etablieren. Mit der Kardiologie und Herzchirurgie bietet Lahr dem Ortenaukreis einen Standard von überregionaler Bedeutung.

5. Lahr bietet am jetzigen  Klinikstandort weitere flächenmäßige Entwicklungsmöglichkeiten. Stadt und SWEG erarbeiten eine eng vertaktete Anbindung des Klinikums an den Bahnhof und an das Stadtzentrum.

Die Stärke der Ortenau ist die Vielfalt der Landschaft, der Wirtschaft und der medizinischen Versorgung. Anpassungen in der Kliniklandschaft, die notwendig sind, müssen dies berücksichtigen. Zur Flächenabdeckung gehören der Erhalt der Kliniken Wolfach, Achern und auch Ettenheim. Bei allen drei Standorten geht es um Nahversorgung, aber eben auch um die Wettbewerbssituation des Ortenau- Klinikverbundes nach Norden, nach Osten und nach Süden. Vielleicht ist sogar die Wettbewerbssituation zum Magneten Freiburg besonders stark ausgeprägt. Und in allen drei Fällen gilt: Zum medizinischen Personal gehören nicht nur Ärzte, sondern auch das Pflegepersonal. Wir sind in Summe als Arbeitgeber attraktiver, wenn wir viele hochqualifizierte Arbeitsplätze auf mehrere Standorte verteilen, als zu viel an einem Standort zentrieren, mit der Folge längerer Anfahrtswege zum Beispiel. für Krankenschwestern im Schichtdienst mit hoher Teilzeitquote. Die Ortenau ist keine Metropole, sondern hat gerade in der Kliniklandschaft mehrere Pole, die das Ortenau-Klinikum stark machen. Deshalb muss die Zentralisierung mit Augenmaß angegangen werden.

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