Der Kehler Friedrich Peter ist Historiker und Weltengänger
Versöhnung mit den Opfern vorangebracht
Kehl. Die einen kennen ihn als engagierten Lehrer und Schulleiter, die anderen haben ihn in seinem Bemühen für die Aussöhnung zwischen ehemaligen jüdischen Kehlern und
ihrer Heimatstadt erlebt und seit gut drei Jahren ist er für einige
einfach nur ein Kommilitone an der Albert-Ludwig-Universität in
Freiburg. „Ich habe mich seit 2013 wieder ins Studium begeben“, erzählt
Friedrich Peter, ehemaliger Leiter der Robert-Schumann-Realschule in
Achern, von seinem Ruhestand. „Es ist ein themenorientiertes Studium,
ich höre alles, was mich interessiert.“ Natürlich frönt er seiner
Leidenschaft für Geschichte und Kunstgeschichte – schließlich
unterrichtete er ersteres viele Jahre –, aber auch rechtsphilosophische
Vorlesungen wecken sein Interesse.
Friedrich Peter wurde 1946 in Freiburg geboren. Nach seinem Abitur verpflichtete er sich zwei Jahr bei der Bundeswehr. „Das war Mitte der 60er Jahre, die Zeit war geprägt
vom Kalten Krieg, von der Frage, was Demokratie ist“, berichtet er von
seiner Motivation zu diesem Schritt. „Ich fragte mich, was kann ich für
diese Gesellschaft und für diesen Staat tun.“ Obwohl er dank seiner
Fähigkeit, gut mit Menschen um gehen zu können, Karriere machte, wurde
ihm nach zwei Jahren Dienstzeit klar, dass Berufssoldat nicht sein
Traumjob war: „Ich wollte unbedingt studieren, ich wollte ins Ausland
und Land und Leute kennenlernen, einfach raus aus der Enge von
Freiburg.“ Als Reservist blieb er der Bundeswehr treu. Also schrieb er
sich in Geschichte und wissenschaftlicher Geografie an der Universität
in Freiburg ein. Außerdem absolvierte er Semester an der Hochschule in
Toulouse, bevor er zur Pädagogischen Hochschule Freiburg und ins
Lehramtstudium für Realschule wechselte.
Der frisch gebackene Realschullehrer trat seine erste Stelle an der Tulla-Realschule in Kehl
an. Mittlerweile hatte er auch geheiratet. Das war 1974, die Familie
verlegte nach einer Weile auch ihren Lebensmittelpunkt in die Stadt am
Rhein. Und in dieser Zeit kam er auch erstmals mit dem Thema in Kontakt,
dass ihn seitdem immer wieder beschäftigt und sein Leben geprägt hat.
„In der neunten und zehnten Klasse stand ein didaktisches Thema in
Geschichte auf dem Lehrplan, vom Nahen zum Fernen“, erzählt der
vierfache Vater. Er entschloss sich, mit seinen Schülern mehr über die
ehemalige jüdische Gemeinde in Kehl herauszufinden. „Das war damals
überhaupt kein Thema hier“, erinnert er sich. Unterstützt von einem
Kollegen aus Neumühl arbeitete er nach und nach das Kapitel der
Judenverfolgung in der NS-Zeit auf. „Nachdem ich mit meinem Schulleiter
gesprochen hatte, gründeten wir einen regionalgeschichtlichen
Arbeitskreis.“ Es entstanden im Jahr 1988 eine Ausstellung und unter
anderem die Dokumentation „Kehl 1933 bis 45“.
In dieser Zeit lernte er auch Ilse Noël, die in Kehl lebte und das Lager Gurs überlebt
hatte, kennen und fing an, die Überlebenden und Nachfahren der jüdischen
Familien aus Kehl zu suchen und Kontakt mit ihnen aufzunehmen. „Ich
habe nie Ressentiments erlebt. Wir wurden immer mit großer Herzlichkeit
aufgenommen“, berichtet Friedrich Peter. So erinnert er sich an eine
Begegnung mit Margot Wertheimer-Stern, die nach ihrer Befreiung aus dem
Konzentrationslager nach New York zog. „Sie bat sich eine Bedenkzeit
aus, ob sie uns treffen wollte“, so Peter. Schließlich wurden er und
sein Tochter doch eingeladen. „Sie war 92 Jahre alt und empfing uns mit
selbstgebackenem Gugelhupf. Sie erzählte ohne Ende aus ihrer Jugendzeit,
von der Flucht und der Vertreibung. Als wir gingen, sagte ihr Sohn zu
uns: ‚Sie haben unheimlich viel für meine Mutter getan.‘“
Eine besondere Beziehung pflegte Friedrich Peter mit Fritz Wertheimer, der
ihm ein Jugendbuch schenkte, das heute im Stadtarchiv in Kehl liegt.
Aber auch die Begegnung mit Nicolas Rosenthal wurde für Friedrich Peter
zu einer besonderen. Er hatte erfahren, dass er in Straßburg weilte.
Peter suchte ihn auf, die beiden Männer fanden einen Draht zueinander.
Rosenthal schickte ihm später ein bewegendes Dokument – seine
handschriftlich verfasste „Haggada des 20. Jahrhunderts“, die Peter in
einem Buch öffentlich machte. Noch heute ist er sichtlich bewegt: „Er
schenkte mir sein Vermächtnis.“
Autor: Christina Großheim
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