Geophysiker Ulrich Achauer
Wissenschaftliche Spur zu den Beben der Erde
Kehl. Seit über elf Wochen, von einem Tag auf den anderen, ergeht es Prof. Dr. Ulrich Achauer wie vielen anderen auch – allerdings: Er wird noch einige Wochen, vielleicht Monate, warten müssen, bis er an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann: Achauer ist Geophysiker am Institut de Physique du Globe der Straßburger Universität. Seither gab es keine Lehre und keine Prüfungen. Geblieben ist ihm derzeit die Tätigkeit als Gutachter und Editor für wissenschaftliche Veröffentlichungen.
Sonntagsporträt
Studiert und promoviert hat der 1956 in der Region Hohenlohe geborene Achauer in Karlsruhe, wo die Physik die naturwissenschaftliche Grundlage für die Geophysik ist. "In unserem Studiengang waren wir zehn Kommilitonen", erinnert sich Achauer. Auch heute noch kennen sich die Geophysiker weltweit untereinander, "es ist ein kleiner Kreis der auf diesem Gebiet Forschenden". Während viele nach der Universität in die Wirtschaft, etwa in die Erdölindustrie, wechselten, stand für Achauer die Forschung im Mittelpunkt – etwa in Kenia der ostafrikanische Grabenbruch, die Seismologie des Erdmantels und am französischen Zentralmassiv. So ging er an das Nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) im französischen Grenoble. Seine Frau Ursula Zimmermann, die er während des Studiums kennenlernte, studierte Architektur in Karlsruhe. Es folgte der Wechsel an die Straßburger Universität ans Institut der festen Erde, dessen Leiter er zwischen 2013 und 2017 war. 80 Länder hat er für seine Forschung beruflich bereist.
Durch die Tiefengeothermie am Rheingraben sind auch die Geophysiker ins Scheinwerferlicht gerückt. Zuletzt im Herbst bebte die Erde rund um Straßburg und Kehl. Als Ursache ist für Achauer und seine Kollegen klar, dass die Tiefengeothermie-Projekte in Straßburg dafür verantwortlich sind. "Es ist keine perfekt-sichere Technologie, aber auch keine gefährliche", gibt Achauer seine über Jahrzehnte erforschte Einschätzung. "Wir leben in einer natürlichen Erdbebenregion, in der statistisch gesehen alle zehn Jahre ein Beben mit dem Wert fünf auf der Richterskala registriert werden", erklärt Achauer. Die durch Tiefengeothermie verursachten Beben schätzt er rund um die Stärke drei auf der Richterskala ein.
Aktiver Vorstand der Kehler Turnerschaft
2006 war Achauer Mitglied eines Fachkomitees, bestellt vom Kanton Basel zur Kontrolle des Konsortiums, das die Analyse der Schäden im Großraum Basel begleitete. Ausgangspunkt waren vier Erdbeben der Stärke 3,6 und zahlreiche kleinere Beben. Der Forschungsbericht hat ergeben: Beben dieser Art können immer wieder passieren, Beben, die zu Personenschäden führen könnten, seien sehr unwahrscheinlich. Die Politik stellte das Projekt ein. Der Vorteil der Tiefengeothermie für Achauer: "Eine Region kann energietechnisch autark werden." Allerdings sind zwei Punkte für ihn zwingend: Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern ab dem ersten Tag sowie die Zusage des Landes, Schäden in voller Höhe zu übernehmen.
Vor 20 Jahren ist Achauer mit seiner Frau und den zwei Söhnen von Straßburg nach Kehl gezogen. Das neue Zuhause hat seine Frau architektonisch umgestaltet. Über seine Leidenschaft fürs Badminton kam er zur Kehler Turnerschaft. Sein Anliegen ist es, "etwas zurückzugeben". Daher setzt er sich inzwischen als zweiter Vorstand zusammen im Team dafür ein, "die enorme Integrationskraft von Sportvereinen zu stärken", betont Achauer. Der Verein hat auch dadurch, dass er eine eigene Sporthalle betreibe, gesunde Grundlagen. Für den Erhalt von Vereinen ist es wichtig, das Engagement der Jugend zu mobilisieren.
Seinen Ruhestand hat der 64-Jährige bereits vor Augen. "Ich mache gerne etwas anderes danach", ist sich Achauer sicher, dann die Forschung an den Nagel zu hängen, um sich dann wieder vermehrt den privaten Reisen zu widmen. Mit zwei Freunden Ende der 70er-Jahre durch die Sahara, andere Reisen mit Rucksack oder Wohnmobil rund um den Globus sowie Skifahren gehörten schon immer zu den Vorlieben von Ulrich Achauer und seiner Frau Ursula Zimmermann. Japan, Südafrika, Australien oder auch die Toskana bieten für den beruflichen Globetrotter interessante Ziele.
Rembert Graf Kerssenbrock
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