Zweite Karriere mit Reisig und Haselnuss
Ob Hexenbesen oder Kehrbesen, Hans Heinzmann bindet sie
Drei Besen gehören ins Haus. Der Neuste in die Stube, der Zweitälteste in den Außenbereich und der Älteste in den Stall“, sagt Hans Heinzmann. Nicht nur auf Höfen mit Landwirtschaft wird
das so gemacht, das ist auch sonst eine übliche Nutzungsweise. Die Besen von Hans Heinzmann sind aber etwas Besonderes. Der Gutacher bindet sie wie vor 100 Jahren.
Donnerstags sitzt Hans Heinzmann in einem Kellerraum des Vogtsbauernhofes, dem Namensgeber des Schwarzwälder Freilichtmuseums. In seinem Refugium bindet er Besen. Vielmehr lässt er diese binden. „Die Besucher des Freilichtmuseums sollen sich aktiv
einbringen können. Wer möchte, kann unter meiner Anleitung einen Besen
binden“, erklärt der 65-Jährige.
Besenbinder ist natürlich nicht der Lehrberuf von Hans Heinzmann. Viele Jahre hat er als
Elektromechaniker gearbeitet. „Ich habe verschiedene berufliche
Situationen erlebt“, erzählt er. Einen besonderen Einschnitt gab es vor
rund 14 Jahren. Der Tinitus veränderte sehr viel. „Mit dem Tinitus haben
sie mich nicht mehr brauchen können. Ich sollte in Rente gehen. Das war
ein harter Schlag für mich, vor allem, weil ich gerade erst 51 Jahre alt war.“
Zugute gekommen ist Hans Heinzmann, dass er sehr bodenständig ist. „Als Mensch bin ich recht bald zufrieden.“ Hochgeschraubte Ansprüche hat er nicht. Schon eher legt er Wert darauf,
dass er in Gutach geboren wurde und nicht in einem Krankenhaus. „Mit der
Landwirtschaft bin ich sehr behaftet.“ 20 Jahre lang züchtete er
Haflinger, spannte sie vor Langholzwagen, Hochzeitskutschen und alte
Feuerwehrwagen. „Ein Bauer hat selten mehr als zwei Pferde gehabt, wenn
überhaupt. Die sind im Futter recht teuer.“
In Zeiten, als Kühe, Ochsen und Pferde noch eingespannt wurden, war der Draht zum
Besenbinden zu teuer. „Nägel und Schrauben waren viel zu gefährlich.
Eine Kuh frisst Draht und Schrauben, Pferde sind da schlauer. Mit
solchen Gegenständen im Magen mussten die Kühe aber früher oder später
geschlachtet werden.“ Zu teuer und zu gefährlich. Entsprechend nutzt
Hans Heinzmann wie damals Naturmaterialien für seinen Besen. „Der
Besenstiel ist aus Haselnuss, das Reisig von der Birke.“ Selbst die
Ringe, die den Besen zusammenhalten, sind aus Haselnuss. Vorsichtig, mit
Geschick und Biegen über das Knie werden Haselnussbänder abgezogen.
Diese werden dann um sich selbst gewickelt, zu einem Ring geformt.
Qualität hat schon damals im Schwarzwald eine wichtige Rolle gespielt. „Vor der
Konkurrenz habe ich keine Angst.“ Heinzmann lässt sich tief in die
Karten schauen. „Das Birkenreisig und die Haselnussruten müssen vor dem
kürzesten Tag im Jahr geschnitten werden, dem 21. Dezember. Dann haben
sie am wenigsten Wasser und sind langlebig.“ Immer wenn er im Wald ist,
hält er Ausschau nach Birken und Haselnusssträuchern. Die Äste für das
Reisig müssen auch in einem 45 Grad-Winkel nach oben wachsen, die
Haselnussruten dürfen nicht am Wasser wachsen und keine Veraltungen
haben. „Mann muss die Waldbesitzer natürlich fragen bevor man sich etwas
nimmt.“ Ein halbes Jahr und nicht weniger lagert er alles, lässt es
weiter trocknen. Erst dann ist das Material verwendbar.
„Wenn Christian Brüstle, der Untersteighof-Bauer im Schwanenbuch aus
Hornberg-Reichenbach, nicht so ehrlich zu mir gewesen wäre, hätte ich es
nie hinbekommen.“ Von ihm hat er alle Tricks zum Besenbinden. „Im
Gespräch mit Dr. Dieter Kauß habe ich ihm versprochen, einen Besenbinder
für das Freilichtmuseum zu finden. Keiner wollte. Christian Brüstle hat
damals zu mir gesagt, ,ich zeige dir, wie es geht‘, so wurde ich der
Besenbinder im Vogtsbauernhof.“ Sein Können brachte ihn schon sehr oft
ins Fernsehen, „Kaffee oder Tee“ ist nur ein Beispiel. Und auch
Fastnachts-Hexen vertrauen auf seine Qualität.
Während Hans Heinzmann erzählt, bindet eine Frau aus Hessen einen Besen unter seiner
Anleitung. Mit ihrem alten „Heinzmann-Besen“ war sie gekommen und wollte
einen Neuen. „Reklamationen habe ich nie gehabt.“ Wenn man schon Kunden
aus Hessen hat...
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