Roland Wöhrle im Sonntagsporträt
Forstwirt und begeisterter Drachenflieger

Foto: Rainer Henzel
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Gutach. Roland Wöhrle hat keine Probleme mit Hitzewellen – wenn er in der Luft ist. Am Boden gelten dagegen andere Maßstäbe. Der Gutacher ist leidenschaftlicher Drachenflieger, kein schlechter dazu. Der gelernte Forstwirt liebt aber auch die Natur – und seinen Wald. Dem setzt die derzeitige Witterung schwer zu. Drachenflieger Wöhrle lässt das nicht kalt.

Wenn er von seinem Lieblings-Startberg, dem Kandel, über seine Fichtenbestände fliegt, weiß er nicht, ob er lachen oder weinen soll. "Die jüngsten Flüge waren immer wieder phantastische Erlebnisse", schwärmt er, "weil die derzeitige Thermik infolge der trockenen, heißen Witterung einfach ideal ist." Die Drachenflieger schrauben sich bei diesen Super-Bedingungen im Aufwind wie ihre Vorbilder, Greifvögel aller Art, in den Himmel. "Es gibt nichts Schöneres für mich, als vogelgleich durch die Lüfte zu gleiten", versichert Wöhrle, während er seinen Drachen mit rund zehn Metern Spannweite abbaut, "das Gefühl ist einfach unbeschreiblich."

Unbeschreiblich war auch das Gefühl, als er über der Gutacher Gemarkung auf seine kränkelnden Fichten hinunter sah – und einige braune Baumgipfel entdeckte. Das waren heftige Wermutstropfen, die den berauschenden Flug des Naturfreundes Wöhrle trübten. Der Gutacher macht sich nichts vor: "Die geschädigten Fichtenbestände nehmen nicht nur im Schwarzwald jetzt schon Ausmaße in der Größe von Fußballfeldern an. Da braut sich was zusammen." Hinter all dem steckt der Borkenkäfer, der bei dieser Wetterlage ausgezeichnete Bedingungen vorfindet. "Aus einen Pärchen werden über das Jahr mehrere hundert Käfer", weiß Wöhrle, "das Insekt vermehrt sich rasend. Ich befürchte chaotische Zustände in unseren Wäldern aufgrund dieser Extrem-Witterung." Sind die Bäume erst einmal vom Borkenkäfer befallen, müssen sie gefällt werden. Der Forstwirt verfügt über rund 20 Hektar Wald. Davon sind ungefähr drei Viertel Fichtenbestand.

Rekord in der Königsdisziplin

Zurück zur angenehmeren, luftigeren Seite von Roland Wöhrles Leben. Mit seinem Drachen hat er kürzlich die Königsdisziplin, den Dreiecksflug vom Kandel aus, in Angriff genommen. Er schwebte zur Schwarzenbachtalsperre im Nordschwarzwald, von dort zum Kloster Beuron im Donautal, danach in den äußersten Südschwarzwald zum Hochblauen und dann wieder „nach Hause“. "Das war mit 280 Kilometern das größte jemals geflogene Dreieck mit dem Drachen in Deutschland", erklärt Wöhrle stolz wie Oskar, "Ich hab meinen alten persönlichen Rekord von 248 Kilometern mit diesem Super-Flug deutlich gesteigert."

Der Gutacher gehört immer noch zur Elite der Drachenflieger im Land. Wöhrle ist aktueller internationaler Deutscher Meister. Den DM-Titel hatte er bereits 2008 und 2012 geholt. Mit dem deutschen National-Team jubelte er im Vorjahr über Bronze bei der WM in Brasilien.
Es gibt vieles, was das Fliegen mit einem Drachen unvergleichbar macht – einzigartige Ausblicke über Landschaften, die Nicht-Flieger niemals zu sehen bekommen, gehören ebenso dazu wie die Begleitung verschiedenster Vögel: Flugbegleiter der besondern Art sozusagen. Hoch oben über der Erde sind das Erlebnisse, die oft etwas Erhabenes in sich bergen. Wöhrle erzählt: "Seit jeher fliegen wir mit Bussarden, Milanen, Falken und mancherorts auch mit Adlern – die ja alle wie wir den Aufwind suchen."

Mit Störchen aufsteigen

Inzwischen hat sich einer dazugesellt, der die Drachenflieger bis vor wenigen Jahren noch argwöhnisch beäugt hat: der Storch. Wöhrle: "Störche sind Thermikflieger, die gerne ohne Flügelschlag und große Kraftanstrengung zur nächsten Futterquelle kommen wollen." Wo Störche kreisen, ist garantiert Thermik – der große Spaßfaktor bei motorlosen Fliegern. "Störche haben uns inzwischen als Kollegen akzeptiert", freut sich Wöhrle. "Noch vor ein, zwei Jahren sind die geflohen. Heute steigen wir gemeinsam in der Thermik in die Höhe.“ Pulks von dutzenden Tieren sind keine Seltenheit mehr.

Im nächsten Jahr wird Wöhrle 60. Er nimmt das Alter nicht auf die leichte Schulter – aber ehrgeizige Ziele hat er noch: "Eines davon ist, die 300-Kilometer-Marke im Dreiecksflug zu knacken. Das peile ich auf jeden Fall an."
Rainer Henzel

Foto: Rainer Henzel
Der Gutacher Roland Wöhrle gehört mit 59 Jahren immer noch zur Elite der Drachenflieger im Land. Ansonsten ist er ein sehr bodenständiger Forstwirt. Foto: Rainer Henzel

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