Straßentheaterprojekt in Gengenbach
"Hierbleiben ... Spuren nach Grafeneck"

Gengenbach (st). Am Dienstag, 29. Juni 2021, ab 11 Uhr ist das Straßentheaterprojekt des Reutlinger Theater in der Tonne e.V. in Gengenbach auf dem Klosterplatz zu sehen. Unter dem Titel „Hierbleiben … Spuren nach Grafeneck“ nimmt sich das Projekt ein historisch bedeutendes Ereignis der „Euthanasie“-Verbrechen zum Anlass. Durch die Begegnung mit den Darstellern mit Behinderung im öffentlichen Raum wird auch ihre heutige Situation aufgezeigt.

Die berüchtigten „Grauen Busse“ kamen auch in die damalige Kreispflegeanstalt in Fußbach und deportierten Menschen mit Einschränkungen nach Grafeneck, die dort am Tag der Ankunft ermordet wurden. Insgesamt wurden im Jahr 1940 in der Zeit des Nationalsozialismus 10.654 Menschen mit Behinderungen oder geistigen Erkrankungen in Grafeneck ermordet, weil Sie den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ galten.

25 Herkunftsorte als Spielorte

In Anspielung an die "Grauen Busse", die damals zur Deportation dienten, wurden 25 Herkunftsorte der Menschen mit Einschränkungen in Baden-Württemberg für das Straßentheaterprojekt ausgewählt. Grafeneck selbst ist Teil dieser 25 Orte. Der Theaterbus fährt mit dem inklusiven Ensemble, Requisiten, Bühnenbild, Kunstobjekten, etc. direkt vor Ort, um die performative Aufführung umzusetzen. Unter der Regie von Theaterintendant Enrico Urbanek wird das Projekt vom Theater Reutlingen Die Tonne umgesetzt. 

Bei diesem Projekt verbindet sich Choreografie, Musik, bildender Kunst, Medienkunst und dokumentarischen Elementen. Über eine facettenreiche Auseinandersetzung zwischen Ensemble und Publikum werden Denkanstöße gegeben, die weit über Betroffenheit einerseits und Information andererseits hinausgehen. Durch den Einsatz historischer Fakten in Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum Gedenkstätte Grafeneck, dem Stadtarchiv Gengenbach sowie dem Kreisarchiv Ortenaukreis wird jeweils ein direkter regionaler und gesellschaftlicher Bezug hergestellt.

Begegnungen mit dem Ensemble

Der Bus verweilt dabei zirka zwei Stunden auf dem Klosterplatz und bietet verschiedene Begegnungen mit dem Ensemble. Die Interaktionen mit dem Publikum können aufgrund der Corona-Pandemie nur unter gebührendem Abstand stattfinden. Um die nötigen Abstände zwischen den Zuschauern während der Corona-Pandemie einzuhalten, wird auf dem Klosterplatz eine Theatersituation aufgebaut, sodass Sitzplätze in einem abgesperrten Bereich vor der Bühne vorhanden sind. Der Eintritt ist frei, jederzeit kann man noch dazu stoßen und wieder weiterziehen. Die jüngste Änderung der Corona-Verordnung des Landes sieht vor, dass ab einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 an fünf Tagen die Nachweis- beziehungsweise Testpflicht beim Besuch von Kulturveranstaltungen entfällt.

„Wir danken der Stadt Gengenbach, der LEADER-Region Ortenau, dem Ortenauklinikum sowie dem Kreisarchiv Ortenaukreis, die uns nach allen Möglichkeiten bei der Umsetzung der Aufführung des Projekts in Gengenbach unterstützen, trotz Corona“, so Projektleiter Maximilian Tremmel. Ursprünglich hätte die Premiere am 8. Mai 2020 in Reutlingen im Rahmen des Kultur vom Rande Festivals stattgefunden. Die Corona-Pandemie machte eine Neuplanung nötig, die erste Aufführung fand am 17. September 2020 in Mosbach statt. Die ersten sieben Aufführungen im Herbst 2020 stießen auf großes Interesse bei der Bevölkerung. In Gesprächen berichteten die Zuschauern, darunter auch mehrere Schulklassen, von einem beeindruckenden und bewegenden Theatererlebnis. Nach den ersten sieben Aufführungen im Herbst 2020 stehen für 2021 weitere 18 Aufführungen auf dem Programm. Nach der winter- und coronabedingten Pause konnte nun im Juni 2021 in Rastatt und Sigmaringen gespielt werden.

Inklusive Theaterarbeit 

Das seit 60 Jahren bestehende Theater Reutlingen Die Tonne hat bereits seit vielen Jahren Erfahrungen mit der inklusiven Theaterarbeit und präsentiert die entwickelten Inszenierungen regelmäßig auf Festivals im deutschsprachigen Raum. Seit 2012 gibt es am Theater Reutlingen Die Tonne eine von den örtlichen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen mitgetragene Initiative, bei der Menschen mit Beeinträchtigungen einen Teil ihrer Arbeitszeit am Theater absolvieren und dort eine künstlerische Ausbildung erhalten.

Das Projekt wird gefördert durch die LEADER-Förderung (ein von der EU eingerichtetes Förderprogramm für die Entwicklung ländlicher Räume) und von der „Lernenden Kulturregion Schwäbische Alb“ im Rahmen von „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes, den Landkreis Reutlingen sowie durch Daimler Truck.
Kooperationspartner sind BAFF [Träger Lebenshilfe und BruderhausDiakonie], die Fakultät für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, die BruderhausDiakonie-Werkstätten Reutlingen sowie die Habila GmbH Rappertshofen Reutlingen.

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