Dean Grace: von London nach Fischerbach
Ein Autodidakt mit absolutem Gehör
Fischerbach. Ein Billardtisch, ein Flügel, eine Gitarre und großformatige Kunstwerke an den Wänden fallen gleich ins Auge, wenn man das Haus von Dean Grace in Fischerbach betritt. Im Wohnbereich schicken die auf mehrere Zimmer verteilten großen Fensterfronten den Blick des Besuchers unweigerlich gen oberes Kinzigtal. Der gelernte Steinmetz Dean Grace lebt seit 30 Jahren in Deutschland und ist inzwischen vor allem Musiker und bildender Künstler.
Aufgewachsen ist der 58-Jährige in London, den typischen britischen Akzent hat er bis heute nicht abgelegt. Mit fünf Jahren beginnt er, intensiv Opern zu singen. Danach entdeckt er die Rockmusik für sich. "Mit zwölf Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen" und schiebt im gleichen Atemzug hinterher: "Ich liebe Punk-Rock." Doch für Dean Grace war es ein schmerzhafter Weg zum Profi-Künstler. Auf die Schule hat er alles andere als Lust. Mit 13 Jahren schreibt Grace einen Brief an die Schulleitung, dass seine Familie umziehe und er daher nicht mehr zur Schule komme. Er fälscht die Unterschrift seines Vaters. "Ich zog morgens meine Schuluniform an und ging dann aber Musik machen", erzählt er mit einem Grinsen. Das geht einige Zeit gut – bis sein Vater sich bei der Schule über seinen Sohn erkundigt. An jenem Abend fragt er seinen Sohn, wie es in der Schule gewesen sei. Auf dessen Antwort "gut" setzt es eine schallende Ohrfeige und Grace demonstriert die Wucht, indem er weit mit der rechten Hand ausholt.
Vater und Sohn machen einen Deal: Dean Grace geht noch zwei Monate zur Schule, beginnt dann eine Ausbildung zum Steinmetz und darf sich fortan der Musik und seiner Gitarre widmen. "Schreiben, Lesen und ein bisschen Mathematik habe ich mitgenommen aus der Schule, aber vor allem haben wir auch viel Unterricht in Kunst und Werken gehabt. Das war genial", erinnert sich Grace.
"Material verstehen, um damit zu arbeiten"
Mit 14 Jahren gibt er mit einer Schulband sein erstes Konzert. Musikalisch ist Grace ein Autodidakt, Gitarre, Flügel und andere Instrumente hat er sich selber beigebracht. Notenlesen hat er nicht gelernt. "Ich habe ein absolutes Gehör", erzählt Grace. Jeden gehörten Ton kann er bestimmen, Musikstücke ohne Vorlage nachspielen. Er lernt Steinmetz, wird zudem Bautechniker und spielt in jungen Jahren auf großen Bühnen. Letzteres ist seine Leidenschaft. Für seinen Lebensunterhalt verlegt er mit seinem Bruder Robert feinste Fliesen und aufwendig veredelte Mosaike. Beide arbeiten an faszinierenden Orten für potente Auftraggeber: im Londoner St. James Palast, für den Sultan von Brunei und auf dem Flughafen Heathrow etwa.
Arbeit und Musik bringen ihn in den 90er-Jahren nach Deutschland. Er tritt bei Sommerfesten des Modedesigners Rudolph Mooshammer, bei den Talenttagen des FC Bayern München und anderen exquisiten Terminen auf. "In Deutschland sind die Kunst und die Künstler offener", erklärt Grace, warum er bleibt.
Aus seiner Zeit als Handwerker nimmt er für seine bildende Kunst mit: "Man muss das Material verstehen, um damit arbeiten zu können." Angeregt von der Wirkung der Kirchenfenster im Freiburger Münster, die er mit einem Kaleidoskop vergleicht, entstehen großformatige Kunstwerke. 35 bis 40 Schichten von Acryl und anderen Materialien legt er übereinander. Mit dem Blickwinkel und dem einfallenden Licht verändern sie die Wirkung auf den Betrachter. Bisweilen dauert es mehrere Jahre, bis so ein Werk vollendet ist. Immer wieder müssen die Schichten austrocknen, bevor sie mit der nächsten bearbeitet werden. Derzeit zeigt er seine Werke in der Londoner Bickerton-Grace-Gallery seines Bruders. Ab März folgt eine Ausstellung in München in der Galerie von Kornelia Wagner. Für den Verkauf seiner Werke ruft Dean Grace fünfstellige Beträge auf. Durch eine Idee, die er mit seinem Bruder hat, wird seine Kunst erschwinglicher. Sie zerlegen ein Werk in 1.000 Puzzle-Teile und verkaufen diese einzeln.
Die Veredelung von Böden und Wänden hat Grace so gut wie aufgegeben und zeigt dabei auf Knie und Rücken. Auf den Bühnen der Region ist Dean Grace mit Bands wie "Kings of Baden" oder "Dr. H." wieder zu hören, wenn die Pandemie es zulässt. Rembert Graf Kerssenbrock
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