Rücktritt zum 30. September
Willstätter Bürgermeister zieht sich zurück

Christian Huber | Foto: gro

Willstätt (st/gro) Christian Huber, Bürgermeister der Gemeinde Willstätt hat am Montag, 2. September, überraschend per Pressemitteilung seinen Rücktritt angekündigt. Nach sechs Jahren im Amt - Huber trat sein Amt am 18. März 2019 an - beendet er seine Karriere noch vor Ablauf seiner ersten Amtszeit. Als Stichtag für seinen Rückzug nennt Huber den 30. September 2024.

"Kein leichter Schritt, aber ein wohlüberlegter", schreibt er.  "Als ich vor etwas mehr als fünf Jahren das Amt angetreten habe, hatte ich eine klare Vision davon, was ich alles erreichen wollte. Besonders wichtig war mir von Anfang an und ist mir bis heute, dass ich die Gemeinde voranbringen kann und positiv auf deren Entwicklung in Zukunft hinarbeite." Es sei nicht leicht gewesen, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen. So habe er zum einen die Mühlen von Politik und Verwaltung unterschätzt, zum anderen seien auch die Corona-Krise sowie der Ukraine-Krieg wenig hilfreich gewesen. 

Zu schnelles Tempo

„In der Vergangenheit ist viel liegengeblieben und die Gemeinde hatte bei meinem Amtsantritt einen großen Nachholbedarf“, erinnert sich Huber zurück und ergänzt: Diesen habe er schnell angehen wollen und dabei sicherlich ein sehr hohes Tempo angeschlagen. Die volle Tragweite des vorhandenen Sanierungsstaus sei erst nach und nach zu Tage getreten. Nicht alles sei so gelungen, wie er sich das vorgestellt hatte und auch kritische Stimmen seien in den vergangenen fünf Jahren nicht ausgeblieben. Insbesondere die kritischen Stimmen aus dem Gemeinderat seien immer lauter geworden. Man habe ihm vorgeworfen, für die schlechte Stimmung im Rathaus und die aus Sicht der Öffentlichkeit zu häufigen Personalwechsel verantwortlich zu sein. Dass jeder Wechsel seine Gründe gehabt habe und teils sogar die vom Gemeinderat getroffenen Entscheidungen zum Weggang von Mitarbeitern geführt hätten, sei aufgrund des jeweiligen persönlichen Bezugs nicht in der Öffentlichkeit diskutierbar, so der scheidende Bürgermeister.

Christian Huber gibt an, dass er bereits während der Coronazeit Momente gehabt habe, die den Grundstein für seinen Rücktritt gelegt hätten. Damals sei der Kontakt zu den Bürgern zwangsweise abgeschnitten worden. Gleichzeitig vermutet der scheidende Bürgermeister, habe die Unzufriedenheit in der Bevölkerung massiv zugenommen. Man nehme die Arbeit der Verwaltung nicht mehr als etwas wahr, dass die Gemeinde voranbringen würde. Er habe vielmehr den Eindruck, dass unterstellt werde, die Verwaltung würde den Bürgern zuleid leben. 

Vorwurf an Gemeinderat

„Bedauerlich ist, dass auch aus den Reihen der Ratsmitglieder derartige Vorwürfe angedeutet werden“, klagt der Bürgermeister und ergänzt, dass die in und abseits der Sitzungen geäußerten Beiträge immer wieder die Verwaltungsarbeit hinterfragten. In einer der jüngst erfolgten Ortschaftsratssitzungen hätte ein Bürger den dort neu gewählten Ortschaftsrat sogar aufgefordert, aktiv der Verwaltung zu misstrauen und fand, so Bürgermeister Huber, Gehör und dort auch die richtige Plattform für sein Gesuch. „Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der Gemeinde und damit wesentlich für deren Richtung und Gestaltung verantwortlich“, so Huber, doch derzeit werde die Gestaltung nicht aktiv betrieben, sondern lediglich kritisiert, was mangels eigener Richtungsvorgaben dann aus der Verwaltung komme.

Die Wurzel der Rücktrittsentscheidung indes läge im März 2022. Damals habe es ein Gespräch mit einer Gruppe gegeben, die sich einerseits aus damals amtierenden Gemeinderäten und andererseits aus Bürgern zusammengesetzt habe. Ihm sei vermittelt worden, dass er die gewünschten Forderungen und Erwartungen umsetzen solle, da andernfalls seine Wiederwahl fraglich wäre. „Das hat etwas in mir verändert und mir gezeigt, dass ich nicht an meinem Stuhl kleben darf, wenn ich die Gemeinde unabhängig und neutral voranbringen möchte“, so Christian Huber. Dieser Termin habe einen der Grundsteine für seine nun erfolgte Entscheidung gelegt. Dass zu seinem ähnlichen Zeitpunkt die Verwaltungsspitze einschließlich Amtsleitungen damals vor die fünf Fraktionssprecher zitiert worden sei und man einem Tribunal gleich teils unbegründete Anklagepunkte aufgetischt bekommen habe, ohne die Chance auf einen offenen Gesprächsaustausch, habe einen nächsten Punkt markiert.

Wachsende Kluft

Diese Situation habe sich in den vergangenen beiden Jahre weiter verschärft und dazu geführt, dass es eine beginnende Kluft zwischen Gemeinderat und Verwaltung gäbe. Der Gemeinderat habe zwar mit seiner Satzungsänderung im Mai 2023 klar gegen die angeblich schlechten Zustände im Rathaus etwas unternehmen wollen, dabei jedoch – so Huber – Maß und Ziel verloren. Die Satzungsänderung einerseits und einige danach erfolgten Entscheidungen und auch Einzelaussagen von Ratsmitgliedern andererseits hätten nach Einschätzung von Huber genau das Gegenteil bewirkt. Oft genug sei er nach einer Sitzung gezwungen gewesen, die Motivation bei seinen Mitarbeitern wiederherzustellen, so der scheidende Rathauschef in seiner Pressemitteilung.

„Ich kann verstehen, dass der Gemeinderat und der Bürgermeister nicht immer einer Meinung sind und dass es hier zu Differenzen kommen kann.“ Er verstehe jedoch nicht, warum der Gemeinderat nur auf Verwaltung und Bürgermeister zeige und dabei außer Acht ließe, dass den 18 Gemeinderätinnen und Gemeinderäten als mehrheitlicher Teil des Hauptorgans auch eine wesentliche Rolle zugedacht sei.

Keine Verbesserung

In der Zeit nach der Satzungsänderung und bis heute habe es keine wesentliche Verbesserung der Situation zwischen Bürgermeister und Gemeinderat gegeben. Dies sei äußerst belastend und baue einen Druck auf, der täglich an Intensität zunehme. Er sei zu dem Ergebnis gehommen, dass es nur einen Ausweg geben könne und ein Rückzug aus dem Amt den Weg frei machen würde für einen Neuanfang.

Gerade die letzte große Entscheidung des Gemeinderats habe nun endgültig den Schlusspunkt unter seine Entscheidung gesetzt. „Nicht die Entscheidung, die Sanierung der Hanauerlandhalle zu vertagen, ist dabei das Problem, sondern vielmehr die bewusste Entscheidung der Gemeinderäte, Verwaltung und Architekt ein Stück weit auflaufen zu lassen“. Es habe ein dreiviertel Jahr die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen, Anträge vorzubringen und selbst in den Tagen unmittelbar vor der Sitzung am 7. August hätte man noch auf die Verwaltung oder ihn zugehen können und den Antrag vorab gemeinsam beraten können. Der Gemeinderat habe jedoch mehrheitlich den Weg der Konfrontation gewählt. Dies sei aus seiner Sicht keine akzeptable Basis für eine vertrauensvolle Basis und er sei enttäuscht, dass die Entscheidung trotz eines wenige Tage zuvor mit den Fraktionsspitzen stattgefundenen Gesprächs mit dem Inhalt, die Zusammenarbeit wieder zu verbessern, so angebahnt worden sei.

Nur Kontrolleurs

Dabei will Huber nicht nur dem Gemeinderat die Schuld zuweisen. Er sieht verschiedene Gründe für die Situation. Er macht dem Gremium aber den Vorwurf, dass viele der Ratsmitglieder sich auf die Rolle des Kontrolleurs beschränken würden. "Das hat zur Folge, dass viel gemeckert, aber nicht mehr gestaltet wird", so Huber und sagt deutlich. "Die Räte sind gewählt, um zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen." Er habe das Gefühl, dass stattdessen auf die Verwaltung und den Bürgermeistern gewartet und dann kritisiert werde, was aus deren Reihen käme. Er hätte sich außerdem gewünscht, dass der Rat durch eine positive Kommunikation auch ein Signal an die Verwaltungsmitarbeiter senden würde. So sei es bei leeren Worthülsen geblieben, man wolle für die Mitarbeiter da sein. 

Huber vermutet, dass sich nach der Wahl wenig ändern werde. Es habe bereits ein Gespräch mit den Vertretern der drei nun entstandenen Fraktionen gegeben. Er sei vom Ergebnis enttäuscht gewesen. Nach seiner Einschätzung seien seine Vorschläge mit großer Zurückhaltung aufgenommen worden. Es werde nur darauf gewartet, dass die Verwaltung und insbesondere der Bürgermeister etwas ändern würden, schildert der Bürgermeister seinen Eindruck. Dies sei längst geschehen. Die Mitarbeiter seien äußerst motiviert, Huber befürchte jedoch, dass diese Motivation durch die Politik zum erliegen kommen könne.

Fehlende Kommunikation

Huber selbst habe sich in den vergangenen eineinhalb Jahren auch mittels eines Coachings mit sich selbst und seiner Arbeit auseinandergesetzt. Er wisse nun, dass das hohe anfängliche Tempo und der Wunsch, alles schnell zu regeln, der falsche Weg gewesen seien: „Dabei ist die Kommunikation zum Gemeinderat gelegentlich auf der Strecke geblieben und gerade in der Coronazeit hat dies zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Rat und Verwaltung geführt.“

"Ich habe es zwar geschafft, die Verwaltung intern mit einer tollen Führungsmannschaft gut aufzustellen. Es ist mir aber nicht gelungen, die Kluft zum Gemeinderat zu schließen", zieht Huber Bilanz. Diese Situation belaste ihn zunehmend, da der Spagat zwischen politische Ebene einerseits und Verwaltungsebene andererseits derzeit nicht lösbar scheint, so Christian Huber selbstkritisch. Er sehe sich immer größerem und aus vielfältigen Richtungen kommendem Druck ausgesetzt und obwohl ihm der Kern seiner Tätigkeit weiterhin einen gewissen Spaß bereite, habe er sich persönlich mit der Frage beschäftigt, ob ein Festhalten am Amt all dies wert sei.

„Die Antwort ist ein klares Nein“, so der scheidende Bürgermeister. „Ich ziehe nun einen Schlussstrich und räume meinen Stuhl.“ Bereits im Herbst 2023 habe er die Entscheidung für sich getroffen, keine zweite Amtsperiode anhängen zu wollen, dies jedoch nicht nach außen kommuniziert. Nun sei der Punkt erreicht, an dem er bereits jetzt nicht mehr weiter machen wolle und werde. Er sei ein Mensch, der gerne und umfangreich zur Verantwortung stehe. Er habe jedoch zunehmend den Eindruck, dass zumindest ein Teil der Bevölkerung und auch Ratsmitglieder von ihm Dinge erwarten würden, die er nicht mit sich selbst und seinen Idealen und Vorstellungen vereinbaren könne. "Ich bin offen, direkt und sage, was ich denke und im jeweiligen Moment für richtig halte. Das ist offensichtlich eine Art, mit der nicht alle zurechtkommen."  

Grenze erreicht

Sich ständig und immer wieder fast täglich aufs Neue mit den politischen Kräften zu reiben, zeige jedoch Grenzen auf und überschreite diese. Wenn dieser Kampf zum Wohle der Sache und Allgemeinheit auf beiden Seiten geführt würde, könnte er das ja nachvollziehen, ergänzt Huber, es gehe aber immer mehr um die Durchsetzung einzelner und teils egoistischer Interessen. Er wolle sich und seine Überzeugungen weder aufgeben noch wolle er sich politisch zerreiben lassen. Er sieht in seinem Rücktritt die Chance für Willstätt, dass er den frei mache für jemanden, der dem Gemeinderat ein besserer Vorsitzender sei, als er es geschafft habe und sein könne. Zudem nehme er - und das sei der entscheidende Punkt - den für ihn inzwischen unerträglichen Druck von den Schultern.  Er plädiert dafür, in der Politik nicht auf den Egoismus von Einzelnen zu hören. "Wir sind eine repräsentative Demokratie. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich es jedem einzelnen laut brüllenden Wähler recht machen muss. Die Summe der Mehrheit entscheidet.“ Leider scheine diese Sicht nicht allen bewusst zu sein. 

Er sei sich dessen bewusst, dass diese Entscheidung vorübergehend eine Lücke reißen werde. Die Führungsmannschaft des Rathauses habe ihm jedoch in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie die Arbeit hervorragend im Griff habe, lobt Huber seine Mitarbeiter. Diese seien bereits informiert und auch den Gemeinderat habe er zeitgleich über seinen Rückzug aus dem Amt in Kenntnis gesetzt.

Auf die Frage hin, was er der Gemeinde und allen Beteiligten für die Zukunft mit auf den Weg geben wolle, äußert sich Christian Huber zurückhaltend. Er hoffe, mit seiner Entscheidung den Weg für eine bessere Zusammenarbeit freizumachen.  Die Zeit bis Ende September werde er nutzen, um alle notwendigen Übergaben zu regeln.

Christian Huber verrät nicht, was er nach dem 30. September tun wird. Nach einer Auszeit werde er sich neuen Aufgaben widmen.

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