Alfred Lehmann hat als Jockey 460 Wettbewerbe gewonnen
Vom Rennpferd auf den Drahtesel umgesattelt

Nach einem schweren Sturz hat Alfred Lehmann seinen Beruf als Jockey an den Nagel gehängt. Heute gehört dem Fahrradsport seine Leidenschaft. | Foto: Michael Bode
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Seelbach. Der 19. September 1993 wird Alfred Lehmann immer im Gedächtnis bleiben. Als der damalige Jockey an diesem Tag auf sein Pferd stieg, wusste er noch nicht, dass es sein letzter Ritt sein sollte. Doch genau diesen Entschluss fasste er, als er nach einem schweren Sturz mit einem offenen Trümmerbruch und starken Schmerzen auf der Rennbahn lag. Bereut hat der Mann mit der echten Berliner Schnauze, der seit 2013 in der Ortenau lebt, diesen Schritt nie. Für Lehmann, der einer der erfolgreichsten Jockeys der DDR war, zählte nur eins: nie wieder hungern, nie wieder Schmerzen, nie wieder Stress.

2.600 Rennen

2.600 Rennen ist der heute 70-Jährige in seiner Karriere als Berufsreiter geritten, 490 hat er gewonnen. "Ab 30 gewonnenen Rennen durfte man sich Jockey nennen", bemerkt er nebenbei und erzählt, wie er überhaupt zu seinem außergewöhnlichen Beruf kam: "Ich habe mit etwa zehn Jahren einen Bericht über Pferderennsport gelesen. Das hat mich so fasziniert, dass mich dann keiner mehr davon abbringen konnte." Erfahrungen mit Pferden konnte Alfred Lehmann schon damals nachweisen, die Nachbarn seiner Oma in Strausberg hatten ein Pferdefuhrwerk und Lehmann hat sich oft um die Tiere gekümmert. Auch die körperlichen Voraussetzungen stimmten, als sich der damals 13-Jährige zusammen mit seinem Vater in einem großen Rennstall für eine Ausbildung zum Berufsreiter bewarb. "Ich bin nur 1,67 Meter groß und war immer einer der körperlich größten Jockeys. Sogar meine Hände und Füße wurden damals begutachtet, ebenso die Größe meiner Eltern", erinnert er sich. Weil in den Augen seines künftigen Ausbilders alles passte, hat Alfred Lehmann am 1. September 1964 seine Lehre begonnen. "Mit einer Bescheinigung meines Trainers durfte ich die Schule schon in der achten Klasse verlassen", berichtet er.

Hartes Training und Fastenkuren

Im Gegensatz zu heute mussten sich die Berufsreiter damals noch selbst um ihre Pferde kümmern: "Wir haben die Pferde geputzt und sind dann gleich nach dem Frühstück ausgeritten", erinnert sich Alfred Lehmann. Das Training war hart und vor allem die unzähligen Fastenkuren sind ihm nicht allzu gut in Erinnerung: "Ich war oft zu schwer und so musste ich mich am besten bis auf 54 Kilo runterhungern." Die Arbeit hat sich jedoch gelohnt: Alfred Lehmann avancierte zum äußerst erfolgreichen Sportler – 1982 hat er nahezu jedes große Rennen gewonnen –, hatte einen eigenen Fanclub und beste Quoten in Wettbüros. "Sogar meine Frau hat gern auf mich gewettet", sagt er schmunzelnd. Über 30 Knochenbrüche hat er in seiner Karriere davongetragen, ist aber immer wieder aufgestanden und hat weitergemacht. 1988 hat Alfred Lehmann außerdem einen Trainerschein abgelegt. "Nach meinem letzten Sturz habe ich von 1995 bis 1999 als Trainer gearbeitet und in dieser Funktion 20 weitere Rennen gewonnen", berichtet er. Als sich der Job nicht mehr rentiert hat, weil die Pferde, die im Training waren, immer weniger wurden, hat er den Pferdesport gänzlich an den Nagel gehängt und fortan als Hauswart gearbeitet. "Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, ich bin handwerklich nämlich recht begabt", so Lehmann.

Ruhestand mit Fahrrad

Eine Familienfeier führte ihn 2001 in den Schwarzwald. "Ich habe mich sofort verliebt", bekennt er. Jahr für Jahr kam er im Urlaub mit seinem Rennrad zurück, bis er schließlich beschloss, dort seinen Ruhestand zu verbringen. Seit 2013 lebt Alfred Lehmann nun in Seelbach, nach wie vor liebt er die Berge und vermisst die "furchtbare" Großstadt überhaupt nicht: "Ich kriege ja schon die Krise, wenn ich nach Lahr reinfahre und Häuser mit drei Stockwerken sehe", betont er.
Fest im Sattel sitzt er heute nur noch auf einem seiner Räder. Seit sechs Jahren ist er Mitglied im Seelbacher Radfahrverein Lützelhardt und ist dessen Kassenprüfer. Nicht nur seine Berliner Schnauze und sein Humor machen ihn im Tal bekannt wie einen bunten Hund. Alfred Lehmann legt nämlich außerdem großen Wert auf ausgefallene Kleidung und Accessoires: "Ich habe sehr viele Schuhe und auch viele verschiedene Brillen", erzählt er. Und wenn er dann mit roter Brille, rotem Fahrradhelm und roten Schuhen auf seinem Rennrad auf der Straße ist, weiß gleich jeder: Der Lehmann Alfred ist wieder unterwegs. Daniela Santo

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