Geschichte reicht 200 Jahre zurück
Kruzifix wieder in historischer Heimat

Rita Schüle übergab das Kruzifix an Bürgermeister Thomas Schäfer. | Foto: Gemeinde Seelbach
  • Rita Schüle übergab das Kruzifix an Bürgermeister Thomas Schäfer.
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Seelbach (st). Bürgermeister Thomas Schäfer konnte vor wenigen Tagen von Rita Schüle ein altes Kruzifix entgegennehmen, das beim Welle-Bauernhof ungefähr 200 Jahre den Herrgottswinkel vervollständigte. Rita Schüle ist wie ihre verstorbenen Geschwister Martha und Ludwig Nachfahrin von Alfred Schüle und Berta, geborene Welle.

Geschichte des Herrgottswinkels

Von Generation zu Generation wurde die Geschichte des Kruzifixes weitergetragen, so erzählt Rita Schüle: „Meine Großmutter Sofie Welle aus Hausach kam Ende des 19. Jahrhunderts durch Heirat mit Ludwig Welle auf den Welle-Bauernhof in Seelbach. Sie erzählte mir und in unserer Familie immer wieder – gleich einem Vermächtnis – wie unser Kruzifix in den Herrgottswinkel kam: Ihrer Schwiegermutter Barbara Welle war es wohl ein Anliegen, dass die Geschichte dieses Kruzifixes nicht in Vergessenheit gerät. Als diese wohl etwa Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Hof kam, erzählte ihr die alte Magd des Hofes, dass sie mit eigenen Augen gesehen hat und wie eindrücklich es für sie war, als ein Mönch vor der Vertreibung aufgrund des Säkularisation um 1803 das Kruzifix auf seinem Rücken vom Franziskanerkloster in unser Elternhaus gebracht hat, als Dank für die Wohltätigkeit unserer Vorfahren.

Seit mehr als 200 Jahren hatte es seinen Platz in unserer Stube. Seit meiner Kindheit habe ich diesen Herrgottswinkel als einen besonderen Ort erfahren: Damals gab es zum Beispiel noch keine Leichenhalle. Mein Großvater und meine Großmutter waren nach dem Sterben bis zum Leichenzug zur Beerdigung vor diesem Kruzifix aufgebahrt. Wir Kinder hatten das Tuch über dem offenen Sarg weggenommen, wenn Verwandte, Freunde und Nachbarn kamen, um Abschied zu nehmen. Ich erinnere mich auch an schwere, bedrohliche Gewitter während der Erntezeit. Die ganze Familie und alle, die während der Heu- oder Getreideernte mitgeholfen haben, standen gemeinsam betend vor diesem Kreuz. Sicher hat sich da nicht nur für mich, sondern auch für meine Vorfahren für den je eigenen Lebensweg Entscheidendes abgespielt.

Diese Erinnerungen sind persönlich und nur beispielhaft und lassen nur erahnen, was an elementarer Not und Sorge an dieses Kruzifix hingetragen wurde während der turbulenten politischen Situation des 19. Jahrhunderts und erst recht während der zwei Weltkriege im vergangenen Jahrhundert.

Mit der Rückgabe des Kreuzes an die Gemeinde Seelbach verbinde ich den Gedanken eines Kreises, der sich schließt: Durch die Wohltätigkeit meiner Vorfahren kam das Kruzifix auf unseren Hof. Der Welle–Bauernhof existiert nun nicht mehr. Aus Dankbarkeit, dass ich und meine beiden verstorbenen Geschwister Martha und Ludwig sowie seine Frau und seine Kinder in Frieden und Freiheit aufwachsen und leben durften, gebe ich in Übereinstimmung mit den Kindern meines Bruders das Kruzifix an den Ort zurück, von wo es vor über 200 Jahren den Weg zu uns genommen hat.“

Bürgermeister Schäfer imponiert das alte Kruzifix, das seinen Platz im historischen Treppenhaus finden wird.

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