Besucherlenkung im Nationalpark
Zwischen Wildnis und Urlaubswünschen
Seebach (st) Die entstehende Wildnis lockt rund 72 Prozent der Gäste in die Natur des Nationalpark Schwarzwald – das zeigt eine neue repräsentative Studie. Von August 2022 bis Juli 2023 führte das Studienteam an 18 Tagen insgesamt fast 2.000 Interviews an 17 Standorten im Nationalparkgebiet durch. „Wir wollten herausfinden, woher unsere Gäste kommen, was sie für Wünsche und Ideen mitbringen, welche Routen sie wählen und was sie über Naturschutz und den Nationalpark wissen und denken“, fasst Mareike Garms einige der Inhalte aus den gut fünfzehnminütigen Interviews zusammen. Die Sozialwissenschaftlerin hat den Materialberg aller Antworten ausgewertet und viel Interessantes herausgefunden. Zum Beispiel, dass es rund 42 Prozent der Gäste wichtig oder sehr wichtig war, in einem Nationalpark unterwegs zu sein. Andere starke Motivationen für den Besuch waren der Wunsch, eine schöne Landschaft zu genießen, körperlich aktiv zu sein und sich zu entspannen.
„Das freut uns natürlich, dass so viele Besucher offenbar ganz bewusst zu uns kommen“, sagt Nationalparkleiter Wolfgang Schlund. „Ziel der Studie war es ja unter anderem, genauer herauszufinden, was unsere Gäste bewegt, damit wir uns mit unseren Angeboten noch besser darauf einstellen können. Zum Beispiel bei der Besucherinformation – nur rund sechs von zehn Befragten war nämlich bewusst, in einem Schutzgebiet unterwegs zu sein. „Da können wir sicher noch etwas verbessern“, sagt Wolfgang Schlund. Und genau daran arbeitet Dominik Rüede, Sachbereichsleiter Regionale Entwicklung, gemeinsam mit einem großen Team aus Kollegen aller Fachbereiche bereits seit gut zwei Jahren. Vergangene Woche hat der Nationalparkrat grünes Licht für das aus diesem Prozess entstandene Besucherlenkungskonzept des Ingenieurbüros LechtAlps gegeben. „Es ging uns darum, aus den ganz unterschiedlichen Zielen und Zwecken des Nationalparks eine möglichst gute Strategie zu entwickeln. Sprich, ganz vereinfacht gesagt: Wie können wir unseren Gästen gute Erlebnisse bei uns ermöglichen, aus denen sie viel mitnehmen – und gleichzeitig die Natur dabei möglichst wenig stören.“ Und zwar nicht nur in der Theorie: „Wir haben ganz konkrete Maßnahmen für alle Bereiche erarbeitet, die wir jetzt umsetzen werden“, sagt die stellvertretende Nationalparkleiterin Britta Böhr. „Die Gästebefragung hat uns nochmal bestätigt, dass wir schon vieles richtig machen. Aber es gibt auch einiges, was wir noch verbessern können.“ Die konkreten Maßnahmen reichen von verbesserten Infoangeboten im Vorfeld über neue Schilder und Leitsysteme im Gebiet bis zu Bildungsangeboten und einer noch stärkeren Vernetzung mit der Region.
75 Prozent der Besucher aus "The Länd"
75 Prozent der Gäste des Nationalparks haben ihren Hauptwohnsitz übrigens in Baden-Württemberg, 45 Prozent starten ihren Ausflug vom Urlaub aus, wobei wiederum Dreiviertel von ihnen in der Nationalparkregion übernachten (und zwar im Schnitt vier Nächte lang). „Darüber freuen wir uns natürlich – und gemeinsam können wir unsere Angebote für Urlauber sicher noch weiter verbessern und vernetzen“, sagt Klaus Michael Rückert, Vorsitzender des Nationalparkrats, in dem alle Landkreise, Gemeinden und Kommunen der Nationalparkregion vertreten sind. „Und manche Angebote müssen vielleicht einfach noch bekannter werden – wie das toll ausgebaute und im ländlichen Raum so einmalige ÖPNV-Angebot“, betont Rückert. Denn noch reisen rund 75 Prozent der Gäste ausschließlich mit dem Auto an.
Für alle Beteiligten ein sehr schönes Fazit der Befragten: 98 Prozent gaben an, zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrem Aufenthalt im Nationalpark zu sein. Und brachten auch viel Verständnis für das wichtigste Ziel des Schutzgebiets auf: Von den Regeln des Nationalparks fühlten sich 90 Prozent nicht gestört. Während das Besucherlenkungskonzept jetzt in die Umsetzungsphase geht, plant Mareike Garms gemeinsam mit der Nationalparkregion schon die nächste Studie: „Voraussichtlich ab Juli dieses Jahres möchten wir in Zusammenarbeit mit der Nationalparkregion die touristischen Gäste in der Region befragen“, verrät sie. „So können wir dann auch noch besser verstehen, welche Gäste bisher noch nicht zu uns kommen und warum.“
Das zehnjährige Bestehen des Nationalparks sei ein guter Zeitpunkt, um die Besucherlenkung in Theorie und Praxis weiter auszubauen, fasst Nationalparkleiter Wolfgang Schlund zusammen. „Wobei uns natürlich sehr bewusst ist, dass unsere Ziele Prozessschutz, Wildnis, Bildung und Besucherinformation immer in einem gewissen Spannungsfeld bleiben werden.“
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