Artenvielfalt im Nationalpark
Lebensraum für seltene Totholzkäfer
Seebach (st) Unsere Welt befindet sich mitten im sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte, heißt es in einer Pressemitteilung des Nationalparks Schwarzwald. Was kann ein Großschutzgebiet wie der Nationalpark Schwarzwald leisten, um diesem Trend entgegen zu wirken? Die wichtigste Zielsetzung ist hier: Natur Natur sein lassen. Im Schutzgebiet kann man daher auf einem Großteil der Fläche eine von natürlichen Störungen geprägte Waldentwicklung beobachten. Zu den Tiergruppen, die unmittelbar von der natürlichen Entwicklung profitieren, gehören die Totholzkäfer. In Deutschland leben etwa 1.400 solcher Käferarten, die in ihrer Entwicklung auf Totholzstrukturen angewiesen sind. Dazu gehören neben dem eigentlichen Holz auch Rindenstrukturen, Baumhöhlen und Baumpilze. Im Nationalpark Schwarzwald konnten mittlerweile 442 dieser Käferspezialisten nachgewiesen werden.
Überregionale Bedeutung der Fauna
„Nach über fünf Jahren wissenschaftlicher Bestandsaufnahme und Monitoring aus dem Nationalpark Schwarzwald sind uns derzeit damit rund 31 Prozent aller in Deutschland vorkommenden Totholzkäferarten auch hier bekannt“, sagt Jörn Buse, Sachbereichsleiter für wirbellose Tiere und Biodiversität im Nationalpark Schwarzwald. Durch die Ausweisung des Schutzgebietes können damit weitaus mehr Arten auf der gesamten Fläche geschützt werden als in den zwei bereits vor Nationalparkgründung bestehenden Bannwäldern am Wilden See (95 Arten) und Hohen Ochsenkopf (206 Arten). 45 Arten sind deutschlandweit bestandsgefährdet oder extrem selten, wie die beiden Urwaldrelikte Benibotarus taygetanus (Familie der Rotdeckenkäfer) und Rhyncolus sculpturatus (Familie der Rüsselkäfer).
„Im Vergleich mit anderen waldreichen deutschen Nationalparks fehlen bei uns viele Laubholzbewohner sowie wärmeliebende Arten der Tieflagen. Dafür sind bei uns andere Arten vertreten, die in den tiefer liegenden laubholzreichen Regionen fehlen. Die Fauna hier bei uns ist deshalb sehr speziell und daher auch überregional einzigartig“, fasst Jörn Buse die Ergebnisse der ersten Monitoringjahre zusammen. Der Nordschwarzwald mit seinen Höhenlagen über 900 Metern beherbergt viele sogenannte boreo-montan oder boreo-alpin verbreitete Arten, wie Anaspis kiesenwetteri, Calyptomerus alpestris, Dinaraea arcana und Dendrophagus crenatus, die im Schwarzwald vornehmlich im Nationalparkgebiet vorkommen. Oft sind die Vorkommen die einzigen ihrer Art in Baden-Württemberg. „Viele Arten haben hier neben dem Bayerischen Wald und den Alpen ihre wichtigsten bundesdeutschen Vorkommen“, ergänzt Jörn Buse. Dies war bei Ausweisung des Schutzgebietes noch nicht in vollem Umfang bekannt. „Diese Ergebnisse unterstreichen die überregionale Bedeutung des Schutzgebietes für den Erhalt der Artenvielfalt am Totholz“, so Nationalparkleiter Thomas Waldenspuhl.
Positive Entwicklung für den Artenschutz
Nach fünf Jahren Erfassung auf über 210 Waldstandorten im Nationalpark lassen sich auch Hotspots erkennen, also Bereiche, in denen besonders viele Arten zusammen vorkommen. Dabei spielen die von Buchen geprägten Wälder rund um Wildnis- und Luchspfad am Plättig eine herausgehobene Rolle. Ebenso artenreich sind die südexponierten Hanglagen am Hohen Ochsenkopf. Der Vergleich mit anderen Nationalparks ist ebenfalls interessant: Andere waldreiche deutsche Nationalparks beherbergen meist über 500 Totholzkäferarten. Viele Totholzkäfer sind wärmeliebend und so nimmt der Artenreichtum mit der Höhenlage ab.
Während die tiefsten Lagen im 10.000 Hektar großen Schutzgebiet im Nordschwarzwald etwa auf 470 Metern über NN liegen, so hat beispielsweise der Nationalpark Harz schon Flächen ab 230 Metern über NN. Gerade die Höhenlagen sind aber der Trumpf im Nationalpark Schwarzwald. Dort kommt beispielsweise der seltene Raubplattkäfer Dendrophagus crenatus vor, ein räuberisch lebender Bewohner frisch absterbender Nadelbäume. Der Käfer ist Teil einer Gemeinschaft totholzbewohnender Käfer, die fast ausschließlich in totholzreichen und vom Menschen wenig beeinflussten Wäldern zu finden sind. Seit Gründung des Parks vor fast zehn Jahren haben sich die Lebensraumbedingungen stetig verbessert. Die Art hat davon profitiert, so dass nun auch viele Vorkommen außerhalb der ehemaligen Bannwälder bekannt sind.
„Der Nationalpark Schwarzwald hat entsprechend eine besondere Verantwortung für den Erhalt von Arten, die typischerweise Wälder in montaner und alpiner Höhenlage bewohnen“, so Waldenspuhl. Der seit fast zehn Jahren bestehende Prozessschutz auf nunmehr über 50 Prozent der Fläche, also auf rund 5.000 Hektar, hat gute Voraussetzungen geschaffen, um das Aussterberisiko vieler Totholzbewohner in der Region zu reduzieren.
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