Leerstände nehmen zu
IHK-Innenstadtberater zur Situation in der Ortenau
Ortenau Leer stehende Geschäftsräume in den Innenstädten bereiten sowohl Stadtverwaltungen als auch Werbegemeinschaften Sorgen. Thomas Kaiser, Referent Handel und Innenstadtberater bei der IHK Südlicher Oberrhein, erklärt auf Anfrage der Guller-Redaktion: "Schauen wir in andere Regionen, können wir sagen, dass wir noch Glück haben. In nur ganz wenigen Städten ist die Lage dramatisch."
Eine deutschlandweite Studie der Immakom aus dem Jahr 2021 habe vor Corona eine Leerstandsquote von im Schnitt zehn Prozent festgestellt, mit einer Prognose für eine Zeit nach der Pandemie in Richtung 15 Prozent. Besonders betroffen habe die Studie die Nebenlagen in den Innenstädten gesehen. "In den von mir betreuten Innenstädten im Gebiet der IHK Südlicher Oberrhein liegt die durchschnittliche Leerstandsquote in den Innenstädten bei etwa sieben Prozent. Darunter aber auch Städte wie Kehl, Oberkirch oder Haslach, die quasi keine längerfristigen Leerstände in den Toplagen aufweisen", berichtet Kaiser. Breche die Quote mal nach oben aus, so habe dies meist strukturelle Veränderungen als Ursache, die es schon vor der Pandemie gegeben habe, beispielsweise die veränderte Bevölkerungsstruktur oder Veränderungen in den Tourismusströmen.
Viele "Anders-Nutzungen"
Auffällig seien, so Thomas Kaiser, die „Anders-Nutzungen“: "Wo früher mal ein Einzelhandelsgeschäft in der A-Lage war, ist heute eine Fahrschule, ein Versicherungsbüro oder ein Anbieter von Dönern. Das bedeutet natürlich eine andere Qualität für den Besuchsanlass." Nach wie vor sei das Thema Shopping eines der Hauptmotive der Menschen, die Innenstadt zu besuchen. "Nichts gegen die Form dieser neuen, anderen Wirtschaftsbetriebe, aber ein Versicherungsbüro bringt eben nicht die Kundenfrequenz in die City wie dies ein Schuhgeschäft kann", weiß Kaiser. Hinzu kämen weitere individuelle Ursachen, die bei Standortentscheidungen eine Rolle spielen würden: von der ungelösten Nachfolgefrage über die Konkurrenz durch den Onlinehandel und zu hohen Mietvorstellungen bis zu ungeeigneten Flächen mit hohem Investitionsbedarf.
Innenstadt neu denken
"Noch ist in allen Städten, die ich begleite, der Einzelhandel das Hauptzugpferd – der Anteil des Handels sinkt jedoch beständig. Auf Platz zwei und drei der Besuchsinteressen sind die Bereiche Gastronomie und Dienstleistung. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Gastronomie den Handel als Hauptzugpferd überholt. Aber in Städten mit hohem touristischem Potenzial muss das kein Nachteil sein", betont er. Dieser Wechsel könne dazu beitragen, die Innenstadt neu zu denken – und auch die städtischen Akteure mit ins Boot zu holen. "Letztere können durch gezielte Innenstadtentwicklung ebenfalls Impulse bieten, beispielsweise Mediatheken in die Innenstadt bringen, so wie es gerade in Ettenheim geplant wird", nennt Thomas Kaiser ein Beispiel.
Seit Juni 2021 gibt es den Innenstadtberater, ein vom Wirtschaftsministerium gefördertes Projekt, das noch bis Ende 2024 läuft. "Ich habe von 2021 bis 2022 sieben Städte intensiv betreut, darunter Oberkirch, Kehl, Haslach und Ettenheim. In diesem Jahr kommen Achern, Friesenheim und Hausach dazu", erläutert Kaiser. Als einen der größten Erfolge seiner Arbeit sieht er die Schaffung von Strukturen auf Ortsebene, die sich um die City kümmern – die Lenkungskreise. Wichtiger Erfolgsbaustein seien außerdem die in allen Städten durchgeführten Stadtspaziergänge, in denen aus Sicht der Stadtbesucher die Innenstadt und deren erster Eindruck unter die Lupe genommen werden. Bänke, Straßenquerungen, städtisches und privates Grün oder auch Außengestaltung würden dadurch recht schnell optimiert. "Die Bausteine sind laut Förderauftrag klar definiert: Analyse – Stärken/Schwächen – Maßnahmenplan – Umsetzungen. Einige der Umsetzungen sind aber kurzfristig nicht sichtbar, denn sie brauchen Zeit oder müssen vor der Realisierung erst durch politische Gremien. Neben Geld sind außerdem auch Personen notwendig, die sich beteiligen", so der IHK-Innenstadtberater. In Sachen Geld würde sich Thomas Kaiser noch mehr Fördermöglichkeiten durch Land und Bund wünschen: Er findet, dass Veranstaltungsförderung oder PopUpStore-Förderung, also für die Einrichtung eines provisorische Einzelhandelsgeschäft, das vorübergehend in leerstehenden Geschäftsräumen betrieben wird, noch nicht richtig greifen. "Da gibt es bis dato viel zu wenig Abrufe", weiß Kaiser.
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