IHK-Konjunkturbericht zum Jahresbeginn
Holpriger als erwartet

IHK-Präsident Eberhard Liebherr | Foto: IHK

Ortenau (st). Die IHK Südlicher Oberrhein hat erneut rund 1.000 Unternehmen um Auskunft über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn 2022 präsentierten IHK-Präsident Eberhard Liebherr und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz.

Glauben an langfristige konjunkturelle Erholung

„Was in unserer Umfrage besonders deutlich wurde: Die Unternehmen glauben fest an eine langfristige konjunkturelle Erholung. Und sie planen auch entsprechend“, begrüßte Liebherr die virtuell teilnehmenden Journalisten aus den Räumen seiner Firma Ketterer und Liebherr in Freiburg. Salomon ging zunächst auf die aktuelle Situation ein, die sich nahezu unverändert im Vergleich zur Herbstumfrage zeigt: „88 Prozent der Unternehmen geben an, derzeit über eine gute oder befriedigende Geschäftslage zu verfügen, nur zwölf Prozent bezeichnen sie als schlecht.“ Damit gebe es trotz der Delta- und Omikron-Welle keinen neuen Absturz. „Die Geschäftslage ist insgesamt fast unverändert gut, aber die Erholung verläuft holpriger als von vielen Experten erwartet“, fasst der IHK-Hauptgeschäftsführer zusammen. Grund dafür sind Hindernisse wie knappe Transportkapazitäten, Lieferengpässe bei Vorprodukten sowie hohe Energie- und Rohstoffkosten. Salomon: „Nicht zu vergessen der Fachkräftemangel, der sich inzwischen zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel entwickelt hat.“

32 Prozent der Unternehmen optimistisch

Der Blick auf die kommenden zwölf Monate bleibt wie die Geschäftslage fast unverändert. Der Index der Geschäftserwartungen sinkt um einen Punkt auf nun 21 Punkte. 32 Prozent der Unternehmen blicken weiterhin optimistisch auf das Jahr 2022, elf Prozent befürchten einen konjunkturellen Abschwung. Die Stimmung sei laut Salomon „durch vorsichtigen Optimismus geprägt“. So liegt auch der IHK-Konjunkturklimaindex, der sich aus der aktuellen Geschäftslage und den Zukunftserwartungen zusammensetzt, bei 127 Punkten und damit ähnlich wie im Herbst (128 Punkte). Auch liegt er nun wieder gleichauf mit dem landesweiten Wert.

Die Arbeitslosenquote im Kammerbezirk beträgt derzeit 3,7 Prozent – vor zwei Jahren, vor Beginn der Pandemie, waren es 3,5 Prozent. Salomon: „Corona hat gesamtwirtschaftlich verglichen mit anderen Wirtschaftskrisen zu keinen großen Einbußen bei der Beschäftigung geführt, auch dank staatlicher Maßnahmen.“ So planen die Unternehmen auch wieder mehr Einstellungen, für den Hauptgeschäftsführer ein „Indiz dafür, dass sie an eine fortwährende konjunkturelle Entwicklung glauben“. Überraschend positiv gleichfalls das Investitionsklima: Jedes dritte Unternehmen will seine Inlandsinvestitionen in den kommenden zwölf Monaten ausweiten – der höchste Wert seit Frühsommer 2018.

Beim Blick auf die Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung stehen der Fachkräftemangel und die hohen Energie- und Rohstoffpreise ganz oben auf der Problemliste der Unternehmen. 65 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie der Fachkräftemangel plagt. „Damit hat dieser Risikofaktor sein Vorkrisenniveau wieder erreicht“, informierte Salomon. Enorm der Sprung beim Risikofaktor Energie- und Rohstoffpreise: Im Sommer 2020 hatten nur 18 Prozent der Unternehmen angegeben, dass sie darüber besorgt seien. Mittlerweile ist dieser Wert auf 67 Prozent gestiegen und übertrifft damit sogar die Werte aus den Jahren 2011 und 2012, als vor allem der hohe Ölpreis den Unternehmen Sorgenfalten auf die Stirn trieb.

Lieferengpässe sorgen für Wachstumsschmerzen

Die Lieferengpässe der vergangenen Monate bringen, so Salomon, zusätzliche „Wachstumsschmerzen“. 94 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie im Zuge der Lieferengpässe Preissteigerungen in mittlerem oder hohem Umfang hinnehmen mussten; 90 Prozent klagten über verlängerte Lieferzeiten. „Es zeigt sich, dass die Lieferengpässe insgesamt dazu führen, dass die Wirtschaft unter ihren Möglichkeiten wächst und so die konjunkturelle Erholung verzögert“, zieht der IHK-Hauptgeschäftsführer ein Fazit dieser Herausforderung.

Bei den Branchen gibt es einen deutlichen Ausreißer: das Hotel- und Gastgewerbe. Salomon: „Zwar durften die meisten Betriebe der Branche im Winter öffnen, die zahlreichen Einschränkungen sorgten aber bei vielen für große Umsatzverluste.“ So verwundert es wenig, dass in dieser Ausnahmesituation die Lagebewertung der Branche erneut auf minus 50 Punkte abstürzt. Bei der Finanzlage ist die Sonderstellung von Hotel und Gastro ebenfalls mehr als deutlich: nur noch 33 Prozent bezeichnen die Finanzlage als unproblematisch im Vergleich zu 67 Prozent aller befragten Unternehmen.

Einen Einblick in ihren Alltag als Hoteliers und Gastronomen gaben zwei Vertreter der Branche: Thomas Eiche vom Hotel "Sonne Post" in Titisee-Neustadt sowie Eric Lassiaille vom Mercure-Hotel "Panorama" in Freiburg. Beide betonten, wie viel Freude sie an ihrem Beruf, am Bedienen der Gäste haben. „Aber uns fehlt die Planungssicherheit“, klagte Lassiaille. „Die Menschen sind verunsichert aufgrund der sich immer ändernden Regelungen, sie bleiben lieber zuhause.“ Dennoch müsse er Personal und Zutaten bereithalten. Kritisch sieht er durch die aktuelle Situation auch die Ausbildung der Nachwuchskräfte. Entsprechend habe sich zuletzt die Zahl der Auszubildenden in seinem Haus reduziert. Eiche, der digital zugeschaltet war, bemängelte die von der Gastronomie verlangte, oft sehr kurzfristige Umsetzung neuer Verordnungen. „Hinzu kommt, dass diese meist sehr unterschiedlich zu interpretieren sind.“ 270 Tage, rechnete Eiche vor, musste er sein Haus schließen. An den Weihnachtsfeiertagen dagegen hätte er alle Tische in seinem Restaurant zehnmal vergeben können. „Dann wiederum muss ich Menschen wegschicken, weil sie nur den gelben Impfausweis dabei oder den Personalausweis vergessen haben.“ Einen Ausfall würde er in diesen Fällen nicht berechnen. „Ich möchte schließlich, dass die Menschen wiederkommen.“

Für die beiden erfahrenen Gastro-Experten ist die Verunsicherung, sowohl auf Seiten der Gastgeber als auch auf Seiten der Gäste, das größte Problem. „Normalität, eine normale Auslastung, damit wir wieder Spaß haben an unserem Beruf“, ist daher Lassiailles Wunsch. Gleichzeitig fragt er sich, wie diese Normalität nach der Pandemie aussehen wird. Eiche zuckt die Schultern: „Wir sind alle Optimisten. Das müssen wir sein.“

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