Pro und Contra
Wiedereinführung der Wehrpflicht
Ortenau. Die Welt schaut geschockt und gebannt in Richtung Ukraine. Viele haben Angst, dass die Nato und damit Deutschland in den Konflikt hineingezogen werden. In diesem Zusammenhang wird auch wieder die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland diskutiert. Auch in der Guller-Redaktion gibt es hierzu unterschiedliche Positionen.
PRO
Matthias Kerber
Die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht hat nicht erst durch die Ereignisse in der Ukraine neu an Fahrt gewonnen. Dass wir die Debatte überhaupt führen, hätte vermieden werden können, denn die Wehrpflicht hätte gar nicht erst abgeschafft werden sollen, da sie viele Vorteile bietet.
Zum einen nimmt die Wehrpflicht alle jungen Männer in die Mitverantwortung ihr Gemeinwesen zu schützen und macht die Landesverteidigung letztlich zu einer Aufgabe seiner Staatsbürger. Die Wehrpflicht garantiert eine Armee aus dem Volk für das Volk. Wie wichtig das ist und welchen Widerstand solche Streitkräfte zu leisten im Stande sind, zeigt uns die aktuelle Situation in der Ukraine.
Meine eigene Zeit beim "Bund" möchte ich nicht missen. Abgesehen von rein praktischen Dingen, die ich dort gelernt habe, trifft man dort vor allem auf Menschen, die einem im "zivilen" Leben schlicht verborgen geblieben wären. Die Bundeswehr zu Zeiten der Wehrpflicht war tatsächlich der vielzierte Spiegel der Gesellschaft und war so doch deutlich mehr Teil selbiger als sie es vielfach heute der Fall ist.
Und auch für die Bundeswehr hätte eine Wehrpflicht Vorteile, denn sie ist das beste Instrument zur Nachwuchsrekrutierung, denn die meisten Zeit- oder Berufssoldaten kommen genau aus diesem Reservoir der Wehrdienstleistenden.
Ein weiteres Argument, das für eine Wehrpflicht spricht, hat mit der Bundeswehr nur bedingt etwas zu tun. Denn die jungen Männer, die den Dienst an der Waffe verweigert und stattdessen Zivildienst geleistet haben, haben ebenso ihren Beitrag in einem wichtigen Bereich geleistet, der heute mindestens genauso unter Personalmangel wie die Bundeswehr selbst ächzt. Matthias Kerber
CONTRA
Anne-Marie Glaser
Als ich im Frühjahr 1988 Abitur machte, konnten wir Mädchen im Herbst direkt in eine Ausbildung oder ein Studium starten. Für die Jungs stand dagegen erst einmal 15 Monate Wehrdienst an oder ersatzweise der Zivildienst. Schon damals fand ich es falsch, dass der Staat über derart viel Lebenszeit der jungen Männer einfach so bestimmen kann. An dieser Meinung hat sich bis heute nichts geändert.
Wohlgemerkt: Ich bin eine Befürworterin der Bundeswehr und habe absolut Respekt vor den Menschen, die sich als Soldaten verpflichten. Vielleicht hätte ich sogar selbst diesen Weg nach der Schule gewählt, wenn Frauen damals die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Aber auch eine Generalin Glaser würde nur über eine Armee von Freiwilligen befehlen wollen. Jemanden zu zwingen, unsere Freiheit zu verteidigen, ist für mich ein völlig absurder Gedanke.
Jeder Mensch muss selbst entscheiden dürfen, ob er nach der Schule an der Waffe ausgebildet werden, in der Pflege helfen, Dächer decken, Literatur studieren oder durch die USA trampen möchte. Das Recht auf Selbstbestimmung ist für mich das stärkste Argument gegen eine Wehrpflicht. Es gibt allerdings auch andere Gründe.
Was wurde früher nicht lamentiert, dass wir im weltweiten Vergleich zu spät ins Berufsleben starten. Deshalb wurde zum Beispiel die Gymnasialzeit reduziert oder der Bachelor als Abschluss eingeführt. Dann passt es aber nicht, die Jugend ein Jahr oder länger in den Wehr- oder Ersatzdienst zu zwingen. Außerdem stellt sich die Kosten-Nutzen-Frage. Ich wollte keinen an Nachrichten desinteressierten Mundfaulen mit Rechtschreibschwäche zum Journalisten ausbilden müssen. Aber die arme Bundeswehr soll aus jedem einigermaßen Gesunden einen Soldaten machen? Anne-Marie Glaser
Sie möchten selbst beitragen?
Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.