Fußnote, die Glosse im Guller
Warten auf Ella
Im Februar wurden wir schon mal vertröstet. Damals war allerdings nur die Rede von einer Verzögerung aufgrund technischer Probleme. Die hoffnungsvolle Botschaft blieb: Ella wird kommen, wenn auch mit etwas Verspätung. Um so größer nun die Enttäuschung darüber, dass wir wohl sehr lange auf Ella warten müssen.
Das digitale Paradies
Nein, Ella ist keine unzuverlässige Dame aus meinem weiteren Bekanntenkreis oder ein Superstar mit Diva-Allüren. Der hübsche Kurzname steht für die vergleichsweise doch etwas sperrige Bezeichnung elektronische Lehr- und Lernassistenz. Dabei handelt es sich um eine Bildungsplattform, die die baden-württembergischen Schulen ins digitale Paradies katapultieren soll. Alle Welt spricht von der digitalen Transformation. Da kommt den Schulen im Musterländle natürlich eine wichtige Aufgabe zu. Immerhin wird dort die Zukunft ausgebildet. Und heutzutage reicht es halt nicht mehr, den Satz des Pythagoras in Schönschrift schreiben zu können.
Schlimm genug, dass die Bayern uns bereits in den 90er-Jahren mit dem leider richtig guten Slogan "Laptop und Lederhosen" rein imagemäßig eine lange Nase gezeigt haben. "Bits, Bytes und Bollenhut" klingt ja nett, aber gegen den Bayern-Schlachtruf doch ein bisschen lahm. Wie schön wäre es doch da, wir könnten mit Ella Taten sprechen lassen und aller Welt beweisen, wie dynamisch der digitale Wandel hier im Südwesten angegangen wird. Tatsächlich scheint das Ganze aber zu einer Endlosbaustelle und einem Millionengrab zu werden. Laut Kultusministerin Susanne Eisenmann ist die Entwicklungsfirma überfordert, weshalb das ganze Projekt jetzt wohl neu ausgeschrieben werden soll. Das Unternehmen selbst sieht das naturgemäß etwas anders und droht mit Schadensersatzforderungen.
Peinliche Pleiten, Pech und Pannen
Wer Recht hat, weiß ich nicht, eins ist aber sicher: Die Millionen-Zeche zahlt wie immer bei Versagen mit staatlicher Beteiligung der Steuerzahler. Ich will den Teufel jetzt nicht an die Wand malen. Aber es klingt fast so, als ob man in Sachen peinliche Pleiten, Pech und Pannen made in Germany neben dem Berliner Flughafen und Stuttgart 21 nun auch Ella einreihen könnten.
Um die Schüler und die digitale Zukunft mache ich mir da weit weniger Sorgen. Unter uns, die Jugend wächst doch so selbstverständlich mit der digitalen Welt auf wie ich damals mit Pippi Langstrumpf oder meine Tochter mit den Liedern von Rolf Zuckowski. Benjamin Blümchen hält heute ein Smartphone im Rüssel und hört Podcasts. Ella mag kommen oder nicht, unsere Jugend wird dem digitalen Wandel trotzdem gewachsen sein.
Anne-Marie Glaser
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