Die Glosse im Guller
Von Verzicht und himmlischen Bonuspunkten

Zwei Minuten vor Mitternacht schluckte ich das letzte Salamistückchen hinunter. Andächtig genoss ich das würzige Aroma von grünem Pfeffer und einem Hauch Knoblauch. Denn eins war klar: Mit Beginn des Aschermittwochs ist es mit der Völlerei vorbei, zumindest bis Ostersonntag.
Okay, es ist nicht so, dass mich jemand zwingen würde, während der Fastenzeit auf Wurst, Fleisch, Alkohol und Süßigkeiten zu verzichten. Das geschieht alle Jahre wieder zwar in guter katholischer Tradition, aber völlig freiwillig. Was es jedoch nicht leichter macht. Zumal der Mann, der mit mir Tisch und Bett, nur indirekt das Leid der 40-tägigen Entsagung teilt. Ungeniert gönnt er sich abends das eine oder andere Gläschen Wein und knabbert Kekse. Jeder weiß, ich bete den Staub auf der Straße an, den die Füße meines Göttergatten berührten. Aber in solchen Momenten geht mir der Kerl schon ein kleines bisschen auf die Nerven.

Da hat er den Bogen überspannt

Einmal hat er den Bogen überspannt. Da wollte er sich doch tatsächlich zwei Wochen nach Aschermittwoch mit unserem inzwischen leider verstorbenen Hund ein Wienerle teilen. Vor meinen Augen! Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte mich selbst zur Witwe gemacht. Letztendlich begnügte ich mich aber damit, ihm das Würstchen aus der Hand zu reißen, aus dem Fenster zu werfen sowie schreiend auf der Metzgertüte herumzutrampeln. Seither gilt die stillschweigende Vereinbarung, dass unser Haushalt während der Fastenzeit fleisch- und wurstfreie Zone ist.
Inzwischen frage ich mich allerdings, ob mein Verzicht später vor dem jüngsten Gericht überhaupt noch positiv zu Buche schlagen wird. Verglichen mit all den Vegetariern und Veganern heutzutage sind 40 Tage im Jahr echt Pipifax. Am Ende ziehen diese ins Paradies ein, während ich im Fegefeuer Tofubuletten braten muss.
Spaß beiseite, natürlich glaube ich nicht, dass es himmlische Bonuspunkte für das Fasten gibt. Es erdet aber so verwöhnte Menschen wie mich ungemein, wenn sie mal ein bisschen Verzicht üben.

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