Fußnote, die Glosse im Guller und Umfrage
Ungelernte Zwangsarbeiter

Was war genau noch einmal der Grund, warum G8 eingeführt wurde, also Gymnasiasten ihr Abitur bereits nach acht, statt neun Jahren schaffen sollten? Ach ja, ein Hauptargument war, die deutschen Akademiker starteten im Vergleich zu den europäischen Mitbewerbern zu spät ins Berufsleben. Klar, das geht natürlich nicht, wenn ein Land im wirtschaftlichen Wettbewerb die Nase vorn haben möchte. Also, husch, husch ins Studium. Und auch eine Lehre kann man nie früh genug beginnen.

Aber was macht viel Jungvolk mit der gewonnen Zeit? Jobben, um Geld für den Führerschein zu verdienen. Es wird ein lustiges Sabbatjahr eingelegt, um die Welt zu bereisen. Und nicht wenige melden sich zum Bundesfreiwilligendienst, einfach weil sie noch keinen Plan haben, was sie beruflich tun wollen.

Zugegeben, in meiner Jugend wurde auch gebummelt. Aber da wussten wir noch nicht, dass das ein Wettbewerbsnachteil für unser Land ist. Ich selbst habe mit 18 ein Jahr lang gejobbt und bin gereist. Die Jungs mussten sowieso zur Bundeswehr oder Zivildienst leisten. Meine Güte, wie konnte Deutschland so nur zur Wirtschaftsmacht aufsteigen!
Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Es wurde nicht nur die D-Mark, sondern ebenfalls die Wehrpflicht und damit der Zivildienst abgeschafft. Aber wir kennen das Phänomen ja aus der Mode. Alles kommt wieder. Und tatsächlich diskutiert die CDU über eine Dienstpflicht – im Zeitalter der Gleichberechtigung selbstverständlich für Männer und Frauen. Die dürfen dann beispielsweise beim THW, in einer sozialen Einrichtung oder der Bundeswehr der Allgemeinheit dienen.

Da kann ich dem THW oder der Feuerwehr nur wünschen, dass sie keine Leute zugeteilt bekommen, die wie ich zwei linke Hände haben. Vielleicht können sie solche noch zum Autowaschen einteilen. Aber ob unbedarfte Zwangsrekrutierte bei Einsätzen, wo es um Minuten und Menschenleben geht, der Allgemeinheit wirklich einen Dienst erweisen können? Immerhin haben soziale Einrichtungen schon früher gute Erfahrungen mit Zivildienstleistenden gesammelt. Zur Erinnerung: Das waren die jungen Männer, die gerne mal als "Drückeberger" beschimpft wurden, weil sie aus Gewissensgründen nicht mit todbringenden Waffen hantieren wollten. Erst als es keine Zivis mehr gab, haben manche gemerkt, dass die fast unbezahlte Leistung der "Drückeberger" nahezu unbezahlbar ist.

Es mag in vielen Bereichen wie beispielsweise in der Pflege an Fachkräften mangeln. Das ist ein Problem. Die Lösung können aber doch wohl nicht junge ungelernte Zwangsarbeiter sein. Und überhaupt: Was ist eigentlich mit dem Wettbewerbsnachteil!
Anne-Marie Glaser

PS: Natürlich interessiert uns, wie die Leser zu diesem Thema stehen.

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