Fußnote – die Glosse im Guller
Trommelwirbel und Tusch
Jetzt machen sie beim Sondieren also erst einmal eine "Denkpause". Die CDU und ihre kleine, dafür aber manchmal recht großspurige Schwesterpartei CSU, die FDP und die Grünen tun sich nicht leicht bei der Frage, ob sie gemeinsam die Jamaika-Flagge hissen wollen. Manchmal ist es eben schwierig, einen Nenner oder eine Formel zu finden, bei der alle Beteiligten das Gesicht wahren können. Und selbst wenn das gelingt und sogar völlige Einmütigkeit herrscht, muss das noch lange nicht heißen, dass für den Bürger am Ende etwas Sinnvolles herauskommt.
Erinnern Sie sich beispielsweise noch an das "wichtige Instrument" elektronische Fußfessel, um islamistische Gefährder besser zu überwachen? CDU/CSU und die damalige mitregierende SPD waren sich nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt aber so was von einig, dass diese Möglichkeit der Gefahrenabwehr schnell gesetzlich umgesetzt werden sollte. Und sie hielten wirklich Wort. "Kein Allheilmittel", aber "Großes für die Sicherheit der Bürger" wurde laut Innenminister Thomas de Maizière diesen April im Bundestag beschlossen. Richtig stolz waren der CDU-Politiker und Justizminister Heiko Maas vom Koalitionspartner SPD damals, als sie die gute Nachricht gemeinsam verkündeten.
Seit Juni darf das Bundeskriminalamt, kurz BKA genannt, nun Dschihadisten mit Hilfe elektronischer Fußfesseln überwachen. Das schränkt diese zwar nicht wirklich in ihrer Bewegungsfreiheit ein, aber man kann sie wohl orten und die Gefahr dadurch immer im Blick behalten. Wenn jetzt also so ein elektronisch gefesselter gefährlicher Islamist in Richtung eines Weihnachtsmarktes geht, könnte das BKA das mitbekommen. Was es auf seinem Computer leider nicht erkennt, das ist, ob der Fußfessel-Überwachte dort etwas Böses tun oder nur einen alkoholfreien Kinderpunsch trinken will. Letzteres ist nämlich sogar Dschihadisten erlaubt.
Nun kann man sich natürlich wundern, was das Ganze wirklich bringen soll. Vielleicht hat sich dies auch das BKA gefragt. Oder das ist ihm egal, weil es mangels Kapazitäten solche Gefährder ohnehin so gut wie nie selbst überwacht, sondern dies den Ländern überlässt. Dort fehlt es den Ermittlern aber an entsprechend fesselnden Befugnissen. Nur in Bayern gibt es ein Gesetz.
Also was wurde denn jetzt "Großes für die Sicherheit der Bürger" geschaffen? Trommelwirbel und Tusch: Zwei von 705 islamistischen Gefährdern in Deutschland tragen nun diese fragwürdigen Fußfesseln, mit der selbst dann keine Anschlagsabsicht erkannt werden kann, wenn der potentielle Attentäter Socken aus Sprengstoff tragen würde.
Ob Jamaika oder nicht, ich wünsche mir nur eines: weniger Tamtam und ein bisschen mehr Sinnhaftigkeit. Warten wir mal ab, was die "Denkpause" bei den Sondierern bringt.
Anne-Marie Glaser
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