Fußnote, die Glosse im Guller
Opfer oder eher Täter?
Ihr Name war Nina und sie rief vom "Umfragezentrum" an. Wo sich das befindet, war nicht rauszubekommen. Denn die Rufnummer war unterdrückt und irgendwie verstand ich Ninas Ausführungen dazu nicht. Das lag vor allem an ihrem Akzent, der zwar zauberhaft, aber doch schwer verständlich war. Zumindest wenn es um ihre Antworten ging. Ihre Fragen zu meiner Person und meinem Einkaufsverhalten waren dagegen recht deutlich und klar.
Zweifel an der Seriosität
Bevor hier böse Gerüchte aufkommen: Nein, es lag nicht daran, dass Nina offensichtlich Ausländerin war. Aber ich hatte zugegebenermaßen ziemliche Zweifel an der Seriosität des "Umfragezentrums" und seiner charmanten Vertreterin. Also beendete ich das Gespräch höflich, doch entschieden und hätte wohl auch nie mehr daran gedacht. Allerdings rief am Nachmittag wieder eine Dame an.
Diesmal hieß sie Angela. Alles andere war absolut genau gleich: unterdrückte Nummer, "Umfragezentrum", Akzent und sogar die Stimme. Darauf angesprochen, ob wir am Vormittag schon einmal miteinander telefoniert und sie da noch Nina geheißen hat, verabschiedete sich die Anruferin schnell und legte kichernd auf.
Dreistigkeit
Nun sind alle guten Dinge drei. Tatsächlich rief die immer gut gelaunte Nina als Angela am nächsten Abend unverdrossen erneut an und wollte mich im Auftrag des "Umfragezentrums" befragen. Beeindruckt von so viel Beharrlich- wie Dreistigkeit wuchs die journalistische Neugierde in mir. Ich tat wie Angela alias Nina so, als hätten wir noch nie miteinander zu tun gehabt und ließ mich auf das Interview ein. Allerdings zeigte ihr ungläubiges Nachbohren bald, dass meine Gesprächspartnerin die Antworten sonderbar fand. Ich behauptete, nie einkaufen zu gehen, kein Einkaufszentrum zu kennen und nicht zu wissen, wo Frankreich liegt. Fragen nach Alter oder Beruf lehnte ich als zu intim ab. Sie rief nie mehr an.
Dafür mache ich mir nun Sorgen. Vielleicht ist Nina der Vor- und Angela der Nachname. Sie wurde in einem fernen Dritte-Welt-Land als Christin verfolgt, musste flüchten und versucht sich nun, motiviert bis in die Haarspitzen, zu integrieren und mit dem Job in einem "Umfragzentrum" eine siebenköpfige Familie über Wasser zu halten. Die Rufnummer ist nur deshalb unterdrückt, weil Nina aus technischem Unverständnis die falsche Taste am Telefon gedrückt hat. Jetzt verliert Nina ihre Arbeit, weil ich sie als Meinungsforscherin nicht ernst genommen habe.
Betrügerbande?
Oder Nina ist im Gegenteil Mitglied in einer international agierenden Betrügerbande, die alles, was ich sagte, aufnahm, in seine Bestandteile zerlegt, die Buchstaben zu neuen Worten zusammen fügt und daraus die Beitrittserklärung für eine unkündbare 100-Jahres-Mitgliedschaft im Club der Nepper-, Schlepper-, Bauernfänger-Opfer zusammenbastelt.
Tja, bin ich nun Opfer, Täter oder schlicht einem Dumme-Mädchen-Streich aufgesessen? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Dann schreiben Sie mir doch.
Anne-Marie Glaser
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.