Fußnote, die Glosse im Guller
"Konzentrierte Aktion Pflege"
Der Berg kreißte und gebar einen Maßnahmenkatalog gegen den Pflegenotstand. Das klingt etwas bürokratisch und staubig. Deshalb kam ein pfiffiger Regierungsbeamter auf die Idee, das Ganze "Konzentrierte Aktion Pflege" zu nennen. Da steckt doch gleich eine völlig andere Dynamik drin. Vielleicht kam aber auch eine Beraterfirma drauf und hat dafür eine halbe Million Euro Honorar kassiert. Wenn Ministerien Auftraggeber sind, da kann man als Consultant gleich noch mal eine Null extra an die Endsumme hängen. Und in diesem Fall waren es sogar gleich drei dieser ehrwürdigen Institutionen. Zumindest wurde die, nennen wir sie mal Ideensammlung, von drei Regierungsvertretern vorgestellt: Arbeitsminister Hubertus Heil, Gesundheitsminister Jens Spahn und Familienministerin Dr. Franziska Giffey – die drei Musketiere im Kampf für die Pflegebedürftigen.
Interessenvertreter
Fast ein Jahr lang wurde an der "Konzentrierten Aktion Pflege" gearbeitet. Sogar Interessenvertreter durften ihre Vorschläge einbringen, beispielsweise Gewerkschaften und Arbeitgeber, Krankenkassen und Wohlfahrtsverbände, Kirchen sowie Betroffenenvertreter. Das klingt gut, denn es kann nie schaden, wenn ein bisschen praktische Erfahrung in die Politik einfließt.
Franziska Giffey
Jedenfalls sind alle mächtig stolz auf die "Konzentrierte Aktion Pflege", zumindest die drei Minister. Das gemeinsame Ziel brachte Franziska Giffey auf den Punkt: "Es muss cool werden, Pflegekraft zu sein." Egal ob sie sich das selbst ausgedacht hat, ein professioneller Redenschreiber oder ein Praktikant, mir gefällt die Aussage. Entsprechend neugierig war ich, wie das erreicht werden soll. Tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht. Unter dem Punkt mehr Personal steht beispielsweise die Vereinbarung, "zügig die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens für Pflegeeinrichtungen anzugehen". Das nenne ich doch mal einen richtig konkreten Beschluss.
Tarifvertrag
Ob eine bessere Entlohnung über einen Tarifvertrag oder eine Festsetzung von Mindestlöhnen erreicht werden soll, wurde offen gelassen. Das ist immer am Besten, wenn Interessenvertreter aus unterschiedlichen Ecken am Tisch sitzen.
Telepflege
Meine Lieblingspassage ist aber: "Die Möglichkeiten der Telepflege (zum Beispiel Beratung übers Netz) weiterzuentwickeln." Wer das liest, der will sich doch sofort auf der noch kostenpflichtigen Altenpflegeschule anmelden. Der Traum eines jeden Schulabgängers: Der Oma wird nachts nicht mehr aufs Töpfchen geholfen, wenn sie muss, sondern über das Smartphone ein Schlafliedchen gesungen, damit sie trotz voller Blase wieder einschläft.
Drei Musketier-Minister
Doch genug des Spotts. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit in der Pflege. Die Beschäftigten haben es verdient, ordentlich bezahlt zu werden und gute Arbeitsbedingungen vorzufinden. Das ist nicht nur cool, sondern notwendig. Völlig uncool ist jedoch, dass die drei Musketier-Minister vieles offen lassen, beispielsweise wie das finanziert werden soll.
Anne-Marie Glaser
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