Die Glosse im Guller
In einem Krieg geht es niemals um Fair Play

"Ich weiß nicht, ob ich mich mehr davor fürchte, dass Russland den Krieg gewinnt oder ihn verliert." War es nicht der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der diesen Satz vor etwa einem halben Jahr sagte? Egal, mir läuft es jedenfalls immer eiskalt den Rücken runter, wenn ich an das Zitat denke.

Opfer unter Zivilisten

Klar, jede Kriegspartei hofft erst mal, den Gegner nur mit Zähnefletschen in die Flucht zu schlagen. Klappt nur selten. Und die Erfahrung zeigt, je länger gekämpft wird, desto grausamer wird das Ganze. Wir im fernen Deutschland sehen dann im TV, wie Bomben Häuser zerstören und finden das schlimm. Noch schlimmer finden wir es, wenn es Opfer unter Zivilisten gibt. Ein Kinderkrankenhaus wird von einer Rakete getroffen. Unzählige Unschuldige sterben. Wenn es nicht Absicht war, dann wurde der Treffer doch billigend in Kauf genommen. Was eigentlich jedem klar sein müsste. Trotzdem blickt mancher erwartungsvoll in Richtung Osten. Putin könnte ja gleich im Kreml aus einem Fenster schauen und erklären: "Tschuldigung, mein Fehler. Ich habe vergessen, meinen Jungs an den Raketenabschussrampen das Memo zum Thema Fair Play im Angriffskrieg auszudrucken. Wird gleich nachgeholt."

Es passiert Schreckliches

Nein, ich bin keine Zynikerin, aber auch nicht naiv. Noch nie wurde ein Krieg nach fairen Regeln unter Gentlemen-Soldaten ausgetragen. Da passieren schreckliche Dinge, egal ob er in der Ukraine, in Syrien oder Mali stattfindet. Die Beteiligten wollen sich gegenseitig richtig wehtun, denn nur so gelingt es, den anderen zum Aufgeben zu zwingen. Sonst hätte Putin Selenskyj zu einer Runde Schnipp Schnapp herausfordern können.

Unvernünftige Dinge

In einem Krieg werden auch ziemlich unvernünftige Dinge getan. Natürlich können wir appellieren: Bitte werft doch in der Nähe eines AKW nicht so wild mit Bomben. Genauso gut können wir es aber lassen. Oder glaubt jemand ernsthaft, der russische Präsident greift dann erschrocken zum Hörer und ruft Selenskyj an, frei nach dem Motto: "Mensch Wolodymyr, ich habe gar nicht gewusst, wie gefährlich das ist? Wir kloppen uns mal besser 100 Kilometer weiter westlich."
Wie weit Putin wirklich gehen würde, kann niemand vorhersagen. Aber er ist nicht der Typ, der sich einfach so geschlagen gibt. Das heißt keineswegs, dass alle vor ihm kuschen sollen. Wir müssen jedoch eine Lösung finden, die alle ohne Gesichtsverlust unterschreiben können. Sonst wird es keinen Gewinner geben.
Anne-Marie Glaser

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