Fußnote, die Glosse im Guller
Ich will einen Kinderteller
Es war ein anstrengender Vormittag gewesen und der Nachmittag versprach, ebenfalls arbeitsreich zu werden. Also beschloss unser Redaktions-Team, sich ein gemeinsames Mittagessen im Biergarten zu gönnen. Natürlich gab es nur Apfelschorle zu trinken und eine Kollegin wollte auch nicht zu üppig speisen. Zur Vermeidung eines anschließenden Fresskomas, fragte sie nach einer kleinen Portion Käsespätzle mit Sauce. "Kein Problem", meinte die Kellnerin freundlich, "ich sage in der Küche bescheid, sie sollen eine Seniorenportion machen."
SAU SENIOREN
Ob die 55-Jährige wohl auch so ein bedröppeltes Gesicht gemacht hätte, wäre die Bestellung als Kinderteller rausgegangen? Vollends entglitten ihr dann die Gesichtszüge, als beim Bezahlen auf dem Bon stand: SPAETZLE SAU SENIOREN. Die sofort eingeleitete investigative Recherche des Guller-Redaktions-Teams unter persönlicher Leitung der Chefredaktion ergab aber, dass dies keineswegs eine verabscheuungswürdige Verunglimpfung älterer Mitbürger war. SAU war lediglich die Abkürzung für Sauce. Wir hatten trotzdem noch den ganzen Nachmittag viel Spaß, besagte Redakteurin mit verschiedenen Wortspielereien rund um die Begriffe Seniorin und Sau aufzuziehen. Wahrscheinlich wäre das auch die folgenden Tage noch fortgesetzt worden. Allerdings hatte sie leider Urlaub.
Verbaler Seniorenteller
Ein anderes Opfer musste her. Es wurde in einem Kollegen gefunden, der derzeit im Verlag eine Auszubildende betreut. Bislang war der 36-Jährige mit Abstand der Jüngste auf unserem Stockwerk und ist auch von seiner ganzen Art her eher der jugendliche Typ. In einem unachtsamen Moment erzählte er dann aber, wie ihm bei den Gesprächen mit der Auszubildenden auffällt, dass die jungen Leute in manchen Dingen anders ticken. Das war natürlich eine Steilvorlage, um ihn mit süffisantem Lächeln darauf hinzuweisen, dass er theoretisch ja auch ihr Vater sein könnte. Sein ungläubiger Blick verriet mir, dass ich ihm gerade eine Art verbalen Seniorenteller vorgesetzt hatte.
Großmutter der Azubine
Was habe ich mich über seine verzweifelten Versuche amüsiert, sich mit allen Kniffen der hohen Mathematik doch noch etwas näher an die junge Generation heranzurechnen. Leider nur so lange, bis wir plötzlich draufkamen, dass ich nach Adam Riese theoretisch sogar die Großmutter der Azubine sein könnte. Und schon hatte ich den Seniorenteller vor mir stehen. Dabei ist es mir doch ebenfalls viel lieber, wenn SAU KINDER auf meinem Kassenbon steht.
Anne-Marie Glaser
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