Fußnote, die Glosse im Guller
Fridays for Future und "faule Schüler"
Die Schüler in Belgien streiken donnerstags, in der Schweiz samstags und in Deutschland sowie vielen anderen Ländern auf der ganzen Welt freitags. In der Ortenau wurde jetzt sogar Freitag und Samstag demonstriert. Der Aufruf für die Klimademo gestern in Offenburg kam zwar von einem Bündnis aus 14 verschiedenen Organisationen, wovon Fridays for Future Ortenau nur eine war. Trotzdem gebührt den Schülern, die in Sachen Klimaschutz auf die Straße gehen, ein besonderes Fleißkärtchen.
Happening
Das sehen einige ganz und gar anders, wie beispielsweise Kommentare auf unserer Facebookseite stadtanzeiger-ortenau.de zeigen. Manche Menschen meinen, dass es sich bei den Anhängern der Initiative Fridays for Future lediglich um eine Bande von faulen Schulschwänzern handelt. Der Klimaschutz diene lediglich als Deckmäntelchen, um sich vor dem Kunstunterricht zu drücken – Demo als Happening und Einstimmung auf das baldige Wochenende.
Aufrüstung
Das halte ich bei diesem miesen Wetter für absolut unwahrscheinlich. Ich habe mich als Jugendliche jedenfalls lieber im gut geheizten Klassenzimmer von Lehrern mit mathematische Formeln berieseln lassen und meinen Tagträumen hingegeben, als bei schaurigen neun Grad sowie Wind und Regen Transparente geschwungen.
Natürlich gab es auch vor 35 Jahren Themen, die junge Menschen trotz schlechtem Wetter auf die Barrikaden getrieben haben. Vor allem die atomare Aufrüstung im Allgemeinen und Stationierung von Pershing II-Raketen im Besonderen waren Reizthemen. Deshalb weiß ich: Es braucht mehr als die Aussicht auf ein paar Freistunden, damit Schüler auf einer Demo in der Kälte bibbern.
Klimastreik
Übrigens ist es guter Brauch, dass die ältere Generation über jugendliche Demonstranten den Kopf schüttelt. Opa fand die sexuelle Revolution der langhaarigen 68er-Bewegung obszön. Papa konnte nicht verstehen, was es am sauberen Atomstrom auszusetzen gab und nachdem der Sohnemann nun längst erwachsen und stolzer Porschefahrer ist, würde er die Schüler freitags lieber in der Schule sehen als beim Klimastreik.
Schulschwänzer
Von wegen Schulschwänzer – niemand würde Lokführer oder Piloten auffordern, nur nach Feierabend oder im Urlaub zu streiken. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen? Stimmt, den Arbeitnehmern geht es um mehr Geld, den Schülern um unseren Planeten, wie wir ihn kennen. Gewerkschafter nehmen unschuldige Bürger für ihre Interessen in gesetzlich genehmigte Geiselhaft. Jugendliche verstoßen gegen die Schulpflicht und verpassen Lernstoff, der sie auf das Leben vorbereitet. Welches Leben? Genau um diese Frage geht es. Die Jugend muss die Versäumnisse der älteren Generation ausbaden. Das begründet ihr Streikrecht.
Anne-Marie Glaser
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