Fußnote – die Glosse im Guller
Es ist nicht nur die Frisur
Nein, ich versuche, mir spöttische Bemerkungen über den Haarschnitt des abgesetzten katalanischen Regierungschefs zu verkneifen. Obwohl ich langsam schon einen Zusammenhang befürchte zwischen exzentrischen Herrenfrisuren und unmöglichen Politikern. Wenn das, was auf einem Kopf wächst, genauso seltsam wirkt wie die Gedanken, die diesem entspringen, fragt man sich doch insgeheim, ob es da eine Beziehung gibt. Doch lassen wir die haarigen Vergleiche zwischen Carles Puigdemont und Donald Trump. Selbst wenn sich mir bei beiden die Haare sträuben.
Ich will Puigdemont gar nicht zum Vorwurf machen, dass er Katalonien in die Unabhängigkeit führen wollte. Der Wunsch hat dort Tradition. Immerhin war es vor sehr langer Zeit einmal ein eigenständiges Land, später dann zumindest selbstverwaltet. Doch dann unterstützten die Katalanen im Französisch-Spanischen Erbfolgekrieg die unterlegene Partei und aus war er mit jeder Selbstbestimmung. Man kann auch sagen, die Katalanen wurden böse unterdrückt. Im Laufe der Jahre bekam die Region immerhin einige Zugeständnisse in Sachen Autonomiestatus gewährt. Trotzdem wird die wirtschaftsstarke Region weiter finanziell von Madrid geschröpft. Jedenfalls wäre es als unabhängiger Staat weit besser dran. So gesehen ist es durchaus nachvollziehbar, wenn ein Regionalparlament ein bisschen die Muskeln spielen lässt.
Leider ist der abgesetzte katalanische Präsident kein Muskelmann, sondern nur ein ungeschickter Zündler. Das fing schon mit dem Unabhängigkeitsreferendum an. Aber okay: Warum soll man nicht mal eine Menge Geld für eine rechtswidrige Befragung ausgeben? Selbst in Deutschland verschwenden Politiker gerne hin und wieder Steuergelder, allerdings für andere Dinge wie Flughäfen. So weit so gut, doch dann kam Puigdemont erst richtig in Fahrt. Anfangs machte er es spannend, später erklärte er die Unabhängigkeit, um sie im gleichen Atemzug wieder auszusetzen.
Sein nächster Geniestreich war der Versuch, der Zwangsentmachtung und Neuwahlen zu entgehen, indem er über besagte Erklärung im Parlament abstimmen ließ. Er wollte halt unbedingt Präsident bleiben. Blöd nur, dass nach Verkündung der Unabhängigkeit genau das geschah, was jeder vorhersah: Das Parlament wurde aufgelöst. Aber sein Meisterstück lieferte Puigdemont, als er die Bevölkerung aufrief, eben dieses friedlich zu verteidigen, während er sich selbst schleunigst nach Brüssel absetzte. Nicht jeder Aufrührer ist halt auch ein Anführer – und unter uns: Wer trägt heutzutage noch so eine Frisur!
Anne-Marie Glaser
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