Initiative Motorradlärm
Wenn das Röhren der Biker zur Qual für Anwohner wird

Lärmdisplays in Sasbachwalden sollen Biker sensibilisieren. | Foto: kec

Ortenau (kec). 28.733 Krafträder sind heuer in der Ortenau unterwegs, 2009 waren es nur 23.122. Viele ihrer Besitzer lieben das schnelle kurvenreiche Fahren und den Sound ihrer Motoren. „Wir haben nichts gegen den Genussbiker, der die Gegend und die Freiheit auf dem Motorrad genießen möchte“, betonte Sasbachwaldens Bürgermeisterin Sonja Schuchter, „aber wir wollen keine Motorradfahrer, die mit Auspuffklappen oder Fahrverhalten einen lauteren Sound erzeugen.“

Vor allem an schönen Wochenenden werden die Biker für Anwohner zur Plage. Besonders beliebte Motorradstrecken sind laut Aussage der Polizei dabei die B500 von Unterstmatt bis Ruhestein und ihre Zubringerstraßen sowie andere kurvenreichen Straßen wie von Oberprechtal nach Gutach. Aber selbst im Land finden sich attraktive Motorradstrecken, die gar zu Motorradrennen einladen wie zwischen Rheinbischofsheim und Wagshurst – wo jüngst Biker gegen die Fahrsperre am Wochenende demonstrierten – oder auf der Kappel-Grafenhauser Hauptstraße.

„Unsere Dörfer liegen an zwei einstigen Handelswegen und heute auch von Motorradfahrern viel befahrenen Straßen, einige der an der drei Kilometer langen Hauptstraße stehenden Häuser stehen wegen des Verkehrslärms leer“, berichtete Jochen Paleit, Bürgermeister von Kappel-Grafenhausen, „Verkehrslärm ist Mitverursacher von Wohnraummangel, er mindert die Lebensqualität und macht krank.“

Was alles nichts genutzt hat

Die beiden Ortenauer Bürgermeister wollten sinnvoll agieren, doch die Reaktionen an den entsprechenden Stellen waren zunächst sehr ernüchternd. Sie mussten erkennen, dass ihnen nur wenig Handhabe zur Lärmminderung zur Verfügung stehen. So setzte Schuchter auf Sensibilisierung der Motorradfahrer und installierte ein Lärmdisplay, dessen digitale Anzeige „Bitte leiser“ den zu lauten Motorradfahrern mitteilt, dass sie die Lärmgrenze überschreiten. Doch weder Streckensperrungen, die nur eine Verdrängung auf andere Straßen zur Folge hätten, noch Tempo 30 – das alle Verkehrsteilnehmer betreffe – oder der Einbau von Schallschutzfenstern waren für sie adäquate Mittel.

„Sinnvoller ist es doch beim Emittenten anzusetzen“, so Paleit, „es werden immer mehr Motorräder und jedes ist lauter als ein Auto.“ Polizeioberkommissar Rüdiger Schaupp aus dem Polizeipräsidium Offenburg bestätigte zwar die Zunahme der Zulassungszahlen und eine Steigerung bei den Verstößen, sah diese aber auch im Zusammenhang zum erhöhten Kontrolldruck. „Seit vielen Jahren praktizieren wir Konzeptionen zur Bekämpfung der Motorradunfälle“, so Schaupp, „polizeiliche Kontrollen werden dabei ganzheitlich durchgeführt.“ Bei einem Geschwindigkeitsverstoß werden so auch Zustand von Fahrer und Fahrzeug überprüft.

101 Städte und Gemeinden sowie acht Landkreise

„Jede vierte Beschwerde ist zum Thema Motorradlärm“, wusste der Baden-Württembergische Lärmschutzbeauftragte Thomas Marwein. Schuchter wurde daher bereits vergangenes Jahr aktiv und gründete mit Marwein die Initiative Motorradlärm, der inzwischen bereits 101 Städte und Gemeinden sowie acht Landkreise beigetreten sind. Die Initiative bietet eine Plattform, um dem Wunsch, Motorradlärm zu reduzieren, mehr Nachdruck zu verleihen. Per Gesetz sollen Tempolimits und Verkehrsverbote möglich sein sowie die polizeilichen Kontrollen verstärkt werden. „Mit unseren Forderungen wollen wir an die politischen Entscheidungsträger herantreten, die daran etwas ändern können – auf europäischer Ebene und auf Bundesebene“, erklärten die Initiatoren.

Im Mai diesen Jahres der erste Erfolg: Der Bundesrat sprach sich für eine wirksame Minderung des Lärms aus. Die Verabschiedung durch die Bundesregierung steht noch aus.

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