Ortenau und Elsass verstärken Zusammenarbeit
Tourismus, Kultur und mehr
Ortenau (st). Zu einem politischen Austausch trafen sich kürzlich Frédéric Bierry, Präsident der europäischen Gebietskörperschaft Elsass (CeA), und Frank Scherer, Landrat des Ortenaukreises und Präsident des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau, in Strasbourg. Bei ihrem Treffen, das seit 2017 regelmäßig stattfindet, erneuerten und bekräftigten die beiden Politiker ihre Vereinbarung zur Zusammenarbeit.
Die anfänglichen Kooperationsbereiche Kinderschutz, Gesundheit, Zweisprachigkeit, Beschäftigung und Mobilität ergänzt seit 2020 das Thema grenzüberschreitender Tourismus. Zu diesem Thema wurde eine kulturelle Reihe um die Burgen am Oberrhein mit dem Titel „Les Portes du Temps“/ „Die Tore der Zeit“ ins Leben gerufen. „Entlang des Rheins gibt es etwa 500 Schlösser und Burgen. Es freut mich, dass wir dieses wertvolle kulturelle Erbe gemeinsam mit unserem französischen Partner wieder stärker in das Bewusstsein sowohl der hier lebenden Bevölkerung als auch der Touristen rücken“, so Scherer. Auch im Jahr 2022 sind vom 1. Mai bis Ende Juli verschiedene Veranstaltungen geplant. John Howe, der Illustrator der „Herr der Ringe-Saga“, begleitet das Projekt.
Jugend und Zweisprachigkeit
Besonders wichtig für beide Politiker sind auch die Themen Jugend und Zweisprachigkeit. „Erst die Beherrschung der Sprache des Nachbarn macht den Austausch über den Rhein möglich und fördert das Gefühl, zu einem gemeinsamen Territorium am Oberrhein zu gehören“, meint dazu Präsident Bierry. Beide Verwaltungsspitzen sind sich einig, dass ein direkter Austausch und Begegnungen zwischen den Schulen auf beiden Seiten des Rheins von großer Bedeutung sind und freuen sich deshalb auf eine baldige Wiederaufnahme der direkten Kontakte zwischen den Schulklassen nach den langen Monaten der Pandemie.
Landrat Scherer betont, wie wichtig eine frühe Fremdsprachenerziehung ist und nennt als Beispiel das von ihm initiierte Projekt „Spiel & Parle“ des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau. Es ermöglicht Kindern im Grundschulalter links und rechts des Rheins das spielerische Erlernen der französischen und der deutschen Sprache. „Ich freue mich über die zahlreichen positiven Rückmeldungen zu dem noch jungen Projekt, das erst zu Beginn des Schuljahrs 2021/2022 gestartet ist“, so Scherer und weist darauf hin, dass das Sprachangebot im kommenden Schuljahr nochmals mit finanzieller Unterstützung durch den Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau ausgebaut werden soll. Auf deutscher Seite könne so ein Beitrag zur Überbrückung der Lücke geleistet werden, die mit der Abschaffung des Französischunterrichts in den beiden ersten Grundschulklassen entstanden ist.
Ein besonderer Rückblick galt dem im Dezember 2021 abgeschlossenen und mit europäischen Geldern unterstützten Projekt „Alterna“. Hier erarbeiteten deutsche und französische Kinderschutz-Fachleute Alternativen zur Vermeidung der Fremdunterbringung von Kindern. „Wir sind uns bewusst, dass Familien auf beiden Seiten des Rheins mit ähnlichen Belastungen zu kämpfen haben und dass eine grenzüberschreitende Kooperation der Jugendämter wichtig ist, einerseits um bei grenzüberschreitenden Fällen schnell reagieren zu können, andererseits um sich generell über die Arbeitsweise und Praktiken des anderen Lands zu informieren, denn Kinder sind das Kostbarste, was wir haben,“ so Scherer.
Fortschritte bei Mobilität
„Auch im Bereich Mobilität gab es Fortschritte: Mehrere ÖPNV-Projekte, darunter der vom Eurodistrikt finanzierte Bus Erstein-Lahr, machen gegenseitige Besuche einfacher und umweltfreundlicher und eröffnen neue Beschäftigungsmöglichkeiten über den Rhein“, betont Präsident Bierry.
Der Präsident der CeA nutzte auch die Gelegenheit, um sich mit dem Landrat über das französische Gesetz zur Gründung der neuen Gebietskörperschaft Elsass auszutauschen. Es ermächtigt und verpflichtet die CeA, die weitere grenzüberschreitende Kooperation inklusive konkreter Projekte zu planen und umzusetzen. So erörterten die beiden Politiker Projekte, die den Bürgern direkt zugutekommen werden, wie etwa das Projekt eines Deutsch-Französischen Gymnasiums und eines oberrheinischen digitalen Fernsehkanals.
Hintergrund:
Seit dem 1. Januar 2021 vereint die Collectivité européenne d’Alsace die Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin unter einem Dach und gehört zu der französischen Region Grand Est. Sie zählt knapp 1,9 Millionen Einwohner und erstreckt sich auf 8.280 Quadratkilometer. Zwischen Vogesen und Rhein gelegen, reicht das Gebiet nördlich an das Bundesland Rheinland-Pfalz und erstreckt sich im Süden bis zum Territoire de Belfort. In der CeA wurden die traditionellen Zuständigkeiten eines Départements im Bereich Soziales, Mobilität, Bildung und Kultur erweitert. Zusätzlich hat die CeA die Federführung im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für das Gesamtelsass inne. Die Kooperation mit Deutschland in ihren neuen Kompetenzfeldern soll ausgebaut werden, insbesondere im Bereich Mobilität und Zweisprachigkeit, Gesundheit und Tourismus.
Der Ortenaukreis ist mit 1.861 Quadratkilometern der größte Landkreis Baden-Württembergs mit über 432.000 Einwohnern. Im Westen bildet der Rhein die über 60 Kilometer lange Grenze zu Frankreich und zum Département Bas-Rhin, im deutschen Sprachgebrauch auch Unterelsass genannt; im Osten erstreckt sich das Kreisgebiet bis in die Höhenlagen des Schwarzwalds. Die Zuständigkeiten des Landkreises reichen von Infrastrukturen über Soziales, Ländlicher Raum, Sicherheit und Ordnung bis zu Gesundheit und Umwelt.
Der Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau mit einer Fläche von 2.468 Quadratkilometern und mehr als 958.000 Einwohnern ist ein europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) mit einem jährlichen Budget von 850.000 Euro. Mitglieder des Eurodistrikts sind auf französischer Seite die Eurométropole Strasbourg und der Gemeindeverband "Canton d'Erstein" sowie der französische Staat. Auf deutscher Seite gehören ihm der Ortenaukreis sowie dessen fünf Große Kreisstädte Achern, Kehl, Lahr, Oberkirch und Offenburg an.
Ein wesentliches Ziel des Eurodistrikts ist es, den Alltag der Menschen links und rechts des Rheins zu erleichtern. Als Pilotregion in Europa werden im Eurodistrikt beispielhafte Projekte durchgeführt, die einen spürbaren grenzüberschreitenden Mehrwert bringen. So kann er als eine Art „europäisches Laboratorium“ mit Modellcharakter verstanden werden.
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