Enkeltrick für Polizei ein echtes Problem
Professionell und perfide

Kriminaldirektor Raoul Hackenjos (2. v. r.) und seine Kollegen Nadine Bandleon (v. l.) Jürgen Kern und Susanne Steudten informierten über das Phänomen Enkeltrick und Whatsapp-Betrug, die die Polizei in Atem halten. | Foto: mak
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  • Kriminaldirektor Raoul Hackenjos (2. v. r.) und seine Kollegen Nadine Bandleon (v. l.) Jürgen Kern und Susanne Steudten informierten über das Phänomen Enkeltrick und Whatsapp-Betrug, die die Polizei in Atem halten.
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Offenburg (mak). Enkeltrick, Schockanrufe und falsche Polizeibeamte halten die Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Offenburg in Atem. Das Betrugsgeschäft boomt. Bis zum 31. Juli dieses Jahres wurden über 1.000 Fälle registriert - Versuche und vollendete Taten. Auch wenn der Großteil der Taten sofort oder rechtzeitig als Betrugsmasche erkannt wird, hinterlassen sie Spuren.

"Ich kürze diese Taten als 2HP ab. Hoch professionell und hoch perfide", erklärt Kriminaldirektor Raoul Hackenjos im Rahmen eines Pressegesprächs. "Die Täter spielen mit den Urgefühlen Liebe und Angst", so Hackenjos. Dies sei das Bösartige und Hinterhältige an diesen Delikten. Man habe es mit einem Höchstmaß an Verwerflichkeit zu tun. 

Enorme finanzielle Dimension

Welche finanziellen Dimensionen diese Betrügereien haben können, verdeutlicht ein Fall aus der jüngsten Vergangenheit, bei dem die Täter mit einem einzigen Anruf 180.000 Euro ergaunerten.  

Gerade bei dem sogenannten Enkeltrick werden hohe Summen erbeutet - in der Regel zwischen 25.000 und 50.000 Euro. Und die Täter sind sehr anpassungsfähig. Der klassische Enkeltrick sei "kaum noch en vogue", so Jürgen Kern, Leiter der Kriminalinspektion 3. Hierbei gaben sich die Betrüger oft als Angehörige aus, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, beispielsweise bezüglich eines Haus- oder Autokaufs. Ziel ist hierbei die Übergabe von Vermögenswerten. 

Inzwischen operieren die Banden, die in der Regel im Ausland sitzen, mit einer neuen Variante, dem sogenannten Schockanruf. Hierbei gaukeln die Betrüger den Opfern vor, dass ein Verwandter in einen tödlichen Unfall im Ausland verwickelt sei und  er deshalb dringend eine Kaution aufbringen müsse, um einen Gefängnisaufenthalt zu vermeiden. Eine ebenfalls weit verbreitete Form des Betrugs ist der falsche Polizeibeamte. Er erzählt dem Opfer, dass es auf der Liste von Kriminellen stehe und es solle daher dem gleich vorbeikommenden Beamten Geld und Wertsachen aushändigen, die dann im Polizeirevier in Sicherheit gebracht würden. 

Täter sind geschickt

Die Täter gingen bei der Gesprächsführung äußerst geschickt vor und übten beträchtlichen psychologischen Druck auf die Menschen aus. "Die Leute kommen gar nicht zum Nachdenken“, erklärt Kern. Die Betrüger würden versuchen, das Opfer am Telefon zu halten, damit es die ausgedachte Geschichte nicht überprüfen könne. Gefordert werden meist Bargeld, Schmuck oder Gold, welches dann von einem Boten abgeholt wird. Den Geschädigten wird oftmals eine Schweigepflicht auferlegt, auch dann, wenn die Betrüger nicht erfolgreich waren. Weil sich die Opfer darüber hinaus auch schämten, gehen die Polizeibeamten von einer hohen Dunkelziffer aus. Denn die Täter sind fleißig: "Die telefonieren im Minutentakt ganze Listen ab, bis sie irgendjemand an der Strippe haben, der mitmacht“, sagt Nadine Bandleon von der „Ermittlungsgruppe Telefon“, die Anfang 2020 gegründet wurde.

Auch eine neue Betrugsmasche über den Messengerdienst Whatsapp verursacht erheblichen Schaden. Hierbei gibt sich ein Unbekannter als Familienmitglied aus, das sein Mobiltelefon verloren hat, womit die unbekannte Nummer im Display erklärt wird. Es müsse schnell eine Rechnung beglichen werden, weshalb man dringend Geld brauche, so die Forderung der Betrüger. Die Schadenssummen belaufen sich auf 1.500 bis 4.000 Euro je Fall, so die Polizei. Hierbei mache es aber schlicht die Masse. Von den bisher 270 registrierten Fällen seien etwa 20 Prozent erfolgreich. 

Die Ermittlungsarbeit der Polizei wird vor allem dadurch erschwert, dass die Banden meist im Ausland sitzen und von dort aus operieren. Die falschen Polizeibeamten rufen oft aus der Türkei an, die Hintermänner des Enkeltricks vermuten die Ermittler in Polen. Die nackten Zahlen sind ernüchternd. Den rund 1.000 registrierten Fällen stehen null Festnahmen gegenüber.

Präventionstipps

Auch deshalb setzt die Polizei besonders auf die Prävention. Hierbei werden unterschiedliche Zielgruppen angesprochen: potentielle Opfer, Freunde, Bekannte und Familie. "Wir versuchen aber auch die Mitarbeiter von Banken und Taxiunternehmen zu sensibilisieren", erklärt Polizeioberrätin Susanne Steudten, die das Referat Prävention leitet. Denn oft würden sich die älteren Menschen mit dem Taxi zur Bank zwecks Geldabhebung fahren lassen. Die Zusammenarbeit funktioniere gut. Aber auch häusliche Pflegedienste und Arztpraxen würden auf das Phänomen aufmerksam gemacht. Die Präventionskanäle sind vielfältig: von Vorträgen und Schulungen über das Verteilen von Flyern und Aufstellern, Informationsständen sowie das Bedrucken von 90.000 Bäckertüten. 

Susanne Steudten gibt abschließend aber noch ganz praktische Tipps:

  • Seien Sie misstrauisch.
  • Raten Sie nicht, wer anruft.
  • Erfragen Sie Dinge, die nur echte Verwandte/Bekannte wissen können.
  • Legen Sie bei verdächtigen Anrufen sofort auf und informieren Sie unverzüglich die Polizei unter 110.
  • Lassen Sie sich nicht drängen und unter Druck setzen.
  • Nehmen Sie sich Zeit, die Angaben des Anrufers zu überprüfen.
  • Geben Sie keine Details zu Ihren familiären und finanziellen Verhältnissen preis.
  • Wenn Anrufer Geld oder andere Wertsachen von Ihnen fordern: Besprechen Sie dies mit Ihnen nahe stehenden Personen.
  • Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen wie Schmuck an unbekannte Personen.
  • Lassen Sie ihren Vornamen im Telefonbuch abkürzen.
  • Bewahren Sie Ihre Wertsachen nicht zuhause auf, sondern auf der Bank oder im Bankschließfach.
  • Die Polizei ruft niemals unter der Nummer 110 an.
  • Niemals die Rückruffunktion nutzen.
  • Sind Sie bereits Opfer eines Enkeltricks geworden, zeigen Sie die Tat unbedingt bei der Polizei an. 
Kriminaldirektor Raoul Hackenjos (2. v. r.) und seine Kollegen Nadine Bandleon (v. l.) Jürgen Kern und Susanne Steudten informierten über das Phänomen Enkeltrick und Whatsapp-Betrug, die die Polizei in Atem halten. | Foto: mak
Beim Enkeltrick werden meist ältere Menschen am Telefon massiv unter Druck gesetzt und zur Herausgabe ihrer Vermögenswerte getrieben. | Foto: Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes

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