Auflagen bringen das Brauchtum in Gefahr
Narren verzweifeln an Anforderungen
Offenburg (tf). Die Bürokratie und ihre Auswüchse sind ein gerne verwendetes Thema der alemannischen Fastnacht. Doch die Realität der vergangenen Jahre lässt den Narren – nicht nur in der Ortenau – das Lächeln im Gesicht gefrieren. "Zum normalen Tagesgeschäft kommt die Umsetzung ständig neuer Gesetze und Verordnungen wie etwa der DSGVO, Hygieneverordnung, Lärmschutz, Versammlungsstättenverordnung, Brandschutzauflagen, Richtlinien für Umzüge, Wagenbau, erweitertes polizeiliches Führungszeugnis bei der Jugendbetreuung, Jugendschutzgesetz oder ganz aktuell die Eintragung ins Transparenzregister", erklärt Gunther Seckinger, Narrenvogt der Vogtei Ortenau des Verbands Oberrheinischer Narrenzünfte (VON). Diese Vorgaben einzuhalten, sei eine Sache – sie erst einmal zu kennen eine andere. "Alle Informationen, Formulare, Richtlinien und anderes stellen wir unseren Zünften in einem Handbuch online zur Verfügung. Das Werk umfasst mittlerweile 1.347 Seiten, was den immensen Bürokratismus im Führen eines ehrenamtlichen Vereins eindrücklich dokumentiert", klagt er. Manch einer fühle sich an die Schildbürger erinnert, wenn es etwa um die Frage einer Feinstaubplakette für den Umzugswagen der Offenburger Hexen in Bad Cannstatt gehe.
Oder um völlig überzogene Vorgaben seitens der Behörden, wie Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), ausführt: "Oftmals wird das so genannte Maurer-Schema – ein Verfahren zur Risikobewertung bei Großveranstaltungen – eingesetzt, wo es gar keinen Sinn macht. So sollten wir für eine Veranstaltung sechs Notärzte in Bereitschaft halten und eine ebenso riesige Schar an Sanitätern. Das sprengt die Kosten und erzeugt unnötige Arbeitszeiten." In diesem Falle habe man sich auf dem kleinen Dienstweg schließlich einigen können.
Doch das geht leider nicht immer, wie auch Silvia Boschert, Verbandspräsidentin des Ortenauer Narrenbundes (ONB), beklagt: "Absperrungen, Straßenreinigung, Sicherheitskonzepte und die immensen Kosten für zusätzliche Sicherheit machen es den Zünften nicht einfach, unser schönes Brauchtum zu präsentieren." Und Seckinger ergänzt: "Viele kleine Dorfumzüge mit kleineren Mottowagen sind durch die Wagenbaurichtlinien bedroht. Die Gruppen wollen keinen Wagen für den Umzug mehr bauen, da es strenge Auflagen gibt und eine TÜV-Abnahme erforderlich ist. Das kostet Geld und Zeit. Klar ist es sehr wichtig, dass nur sichere Fahrzeuge am Umzug teilnehmen, dennoch führen die Auflagen dazu, dass immer mehr keinen Wagen mehr bauen." Wenn das Ehrenamt weiterhin solche unerfüllbare Auflagen bekomme, werde es in zehn Jahren keine Umzüge mehr geben – und ein Stück Brauchtum ist gestorben, so die Angst der Narren.
Damit dies nicht geschieht, ist Roland Wehrle für den VSAN bereits mit hochrangigen Vertretern der Politik wie dem Normenkontrollrat und dem Innenministerium des Landes im Gespräch. Er setzt auf Verständnis und ein gutes Miteinander – gerade auch mit den Vertretern direkt vor Ort. "Die Fastnacht ist ein Kulturgut und muss unbedingt erhalten werden", betont der VSAN-Präsident.
Denn auch Silvia Boschert sieht eine düstere Zukunft kommen: "Man kann leider schon erkennen, dass aus oben genannten Gründen ein Rückgang an Umzügen zu verzeichnen ist – außerdem können die steigenden Kosten nicht durch Eintritte gedeckt werden.“ Gunther Seckinger allerdings ist noch guten Mutes – er setzt auf die Narren vor Ort: "Seitens des Verbandes Oberrheinischer Narrenzünfte investieren wir viel Energie und Herzblut in unseren Narrensamen, deshalb ist es uns auch um die Zukunft der Fasent nicht bange."
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