Sommerhitze stellt Städte vor Herausforderung
Mehr Grünflächen mildern die Folgen des Klimawandels
Ortenau (ds/gro). Der Sommer 2018 stellt Städte vor eine neue Herausforderung: Wie lässt es sich auch während langer Hitzeperioden gut in ihnen leben? Beton und Asphalt erhitzen sich, in der Stadt ist es deutlich wärmer als im grünen Umland. Doch wie können Kommunen auf den Klimawandel reagieren?
Klimaschutzkonzepte in Lahr
Der Gemeinderat der Stadt Lahr beispielsweise hat im März dieses Jahres einstimmig einen Leitfaden zur klima- und umweltfreundlichen Bauleitplanung verabschiedet. Das Stadtplanungsamt ist somit verpflichtet, bei den anstehenden Planungen zu prüfen, ob die Klimabelange angemessen berücksichtigt sind. Erst im Juli hat der Gemeinderat beschlossen, ein Klimaanpassungskonzept zu den lokalen Auswirkungen des Klimawandels und den notwendigen Anpassungsmaßnahmen erstellen zu lassen und hat die Verwaltung beauftragt, hierfür Fördermittel zu beantragen. Die nationalen Klimaschutzziele sind schon seit 2004 im Baugesetzbuch des Bundes verankert. "Somit sind Kommunen gesetzlich verpflichtet, den Klimaschutz und die Klimaanpassung zu fördern", betont Sabine Fink, Leiterin des Lahrer Stadtplanungsamts, auf Anfrage.
Mit dem Wissen um den Klimawandel und seine Zusammenhänge müssten bereits die städtebaulichen Entwürfe für neue Wohnquartiere und Gewerbegebiete gemacht werden. "Ist eine optimale Lösung gefunden, wird das Konzept in einem Bebauungsplan planungsrechtlich gesichert", so Fink. Sie nennt ein Beispiel: "Wurde noch vor Jahrzehnten diskutiert, ob man es einem Bauherrn auferlegen kann, sein flaches Gebäudedach zu begrünen, so ist heute dafür keine Überzeugungsarbeit mehr notwendig".
Sei die Kommune Eigentümerin der Fläche, dann könne sie sogar noch stärkere Forderungen als in einem Bebauungsplan privatrechtlich in ihren Kaufverträgen durchsetzen. So wurde etwa 1999 zur Vorbereitung des städtebaulichen Wettbewerbs für das Baugebiet Hosenmatten ein Fachbüro um eine luftklimatologische Bewertung der Situation gebeten. "Diese wurde den Teilnehmern zur Verfügung gestellt, um die Gebäudeausrichtung so zu beeinflussen, dass die Bebauung möglichst wenig Auswirkungen auf die Hangwinde und auf die Nachtsituation in den angrenzenden Wohnbereichen hat", erläutert Sabine Fink.
Bei der Bebauung in der direkten Umgebung des Hohbergsees wurde im Rahmen der Bebauungsplanaufstellung auf ein Geschoss verzichtet, um den Wind aus dem Schuttertal, der nachts die Abkühlung für die Lahrer Kernstadt bringt, nicht zu stark zu bremsen. "Auch beim Baugebiet Altenberg waren die Fragen gestellt worden und es wurde geprüft, ob die Bebauungsausrichtung die luftklimatische Situation so verschlechtert, dass dies ein Gegenargument sein könnte. Dies wurde aber vom Fachgutachter verneint", so die Stadtplanerin.
Im gewerblichen Bereich verfolgt die Stadt Lahr seit den 90er-Jahren verschiedene Ansätze zur Verbesserung der klimatischen Wirkung der Industrie- und Gewerbegebiete, etwa durch die Planung von öffentlichen Grünzügen im Flugplatzbereich oder in Langenwinkel oder auch durch die Ausbildung von Baumalleen in den Erschließungsstraßen. "Weitere Verbesserungen durch Dachbegrünungen oder intensivere Flächennutzungen sind aber noch möglich", sagt Fink.
Die politische Zielrichtung, bewusster mit Flächen umzugehen, hält Sabine Fink für klimapolitisch richtig, "weil Flächen nicht vermehrbar sind". Eine Nachverdichtung müsse nicht zwangsläufig das Stadtklima beeinflussen: "Stehen die Gebäude zum Beispiel in Windrichtung, dann kann eine Erhöhung der Geschosse unschädlich sein, ein neu gebauter Riegel, der quer zum Wind steht, hätte aber starke Konsequenzen und sollte daher nicht gewählt werden", so Fink. Flächen zur Nachverdichtung gebe es in Lahr zahlreich. "Das Problem ist nur, dass die nicht immer verfügbar sind", so Sabine Fink abschließend.
Klimaschutzkonzepte in Achern
Grundsätzlich sollen die Kommunen über ihre Bauleitplanung einerseits eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt sowie eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Andererseits sollen sie laut Baugesetzbuch den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, fördern. "Diese im Gesetz gleichwertig aufgeführten Anforderungen sind im Spannungsfeld der kommunalen Stadtentwicklungspolitik tatsächlich nicht leicht in Einklang zu bringen. Die Stadt Achern versucht, den potenziellen Zielkonflikt über eine strategische und vorsorgende Stadt- und Siedlungsflächenentwicklung zu lösen", teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit.
Im Rahmen des städtischen Masterplans soll das Freiraumkonzept beispielsweise ein Grünzug- und Biotopverbundsystem beinhalten, das die gesetzlich geschützten Flächen und die im Regionalplan festgelegten Grünzüge und Grünzäsuren sinnvoll ergänzt. Hierdurch werden nicht nur Flächen festgelegt, die von der Bebauung freizuhalten sind, diese Freiflächen sollen hinsichtlich ihrer gewünschten Funktion auch aufgewertet werden. "Darüber hinaus wird der Masterplan zum Beispiel auch Maßnahmen enthalten, die bisher versiegelte Flächen in der Innenstadt zu Grünflächen umwandelt. Mit den zusätzlich vorgesehenen Bepflanzungen in der Innenstadt werden damit auch kleinklimatische Effekte erwartet", so die Stadt.
Aktuell ist die Stadt Achern in der guten Lage, den großen Bedarf an Wohnraum für die kommenden Jahre durch Konversion ehemaliger Industrieflächen in der Kernstadt zu befriedigen. "In den Stadtteilen sollen ebenfalls die Möglichkeiten der Innenentwicklung und kleiner Arrondierungen der Siedlungskörper genutzt werden. Durch das Einsparen von großen Außenentwicklungen kann somit ein positiver Beitrag zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden und damit auch für den Klimaschutz geleistet werden", erläutert die Stadtverwaltung.
Die Vorgaben in den Bebauungsplänen zur Belüftung und Begrünung neuer Baugebiete, die meist auch mit der Festlegung einer bestimmten Baudichte einhergeht, diene vor allem der Freiraumqualität der dort wohnenden Menschen und sei deshalb aus städtebaulichen Gründen seit vielen Jahren Bestandteil der Stadtplanung.
Vorgaben in den Bebauungsplänen zur Adaption an den Klimawandel könnten beispielsweise sein:
- die Festlegung der Größe der überbaubaren Grundstückfläche, mit der auch der Versieglungsgrad festgelegt werden kann
- die Bestimmung von Umfang und Gestaltung des öffentlichen Raums in einem Baugebiet
- die Festlegung von Art und das Maß der Begrünung auf den privaten und öffentlichen Flächen
- das Pflanzen von schattenspendenden und klimaresilienten Bäumen, Sträuchern und Pflanzen
- die Festlegung von Art, Höhe und Stellung der Baukörper
- die Vorgaben für Dach- und Fassadenbegrünung
- die passive Nutzung der Sonnenenergie durch Ausrichtung der Gebäude
- die Ermöglichung von Fotovoltaik-Anlagen durch Festlegung von Dachform und Dachneigung.
"Diese kommunalen Maßnahmen sind als Anpassung an den Klimawandel zu verstehen, sie verfolgen nicht das Ziel, die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen. Diesem Anspruch könnte Stadtplanung nicht gerecht werden", heißt es aus dem Acherner Rathaus.
Klimaschutzkonzepte in Kehl
"Vor allem durch gezielte Ausweisung und Konzeption von Baugebieten", stellt Harald Krapp, Baubürgermeister in Kehl, fest. "Diese sollen so gelegen sein, dass sie den Zufluss unbelasteter Frischluft in neue und bestehende Quartiere ermöglichen und durch die Stellung sowie die Höhe der Baukörper die Frischluftzufuhr auch bei austauscharmen Wetterlagen nicht behindern. Dies ist auch bei der Begrünung zu bedenken: Raumwirksame Strukturen aus Bäumen, Hecken und so weiter sollen so angelegt werden, dass sie die Frischluftzufuhr unterstützen." Gefragt sei auch die gezielte Verschattung von öffentlichen Räumen durch Gebäude und Bäume.
"Ergänzend kann auf stark frequentierten Plätzen über öffentliche Trinkwasserspender nachgedacht werden", so Krapp. "Die Stadt trifft entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen und baut öffentliche Räume entsprechend aus." Er stellt fest, dass begrünte Freiflächen, Dächer und Fassaden sowie Wasserflächen und Brunnenanlagen einen positiven Beitrag zum Ausgleich von Temperatur- und Luftfeuchtextremen leisten: "Vieles hängt jedoch davon ab, ob private Bauherren entsprechend planen und bauen, zum Teil, ohne dass Mehrkosten damit verbunden sind."
Laut Krapp hat die Stadt Kehl zum ersten Mal gezielt bei der Planung des innerstädtischen Neubaugebietes Schneeflären versucht, auch Belange des Klimaschutzes zu berücksichtigen. Bereits bei der Auslobung der städtbaulichen Konzeption 2013 sei von den Büros gefordert worden, dass diese Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel darstellten. "Das Gebiet enthält mit 24 Prozent einen verhältnismäßig geringen Anteil an Verkehrsfläche, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass auch Bereiche mit Einfamilienhausplanung zugelassen wurden", macht der Kehler Baubürgermeister deutlich. "Auf dem Schneeflärenplatz sind Fontänen und eine Wasserspielrinne für Kinder installiert worden."
Doch das sei nicht die einzige Maßnahme: "Zum einen enthält das integrierte Klimaschutzkonzept für Kehl von 2013 Ziele und Maßnahmen", macht Krapp deutlich. "Zum anderen stellt die Stadt Kehl aktuell ein Stadtentwicklungskonzept auf, das auch unter klimaökologischen Gesichtspunkten die städtebauliche Entwicklung in den nächsten 15 bis 20 Jahren lenken soll. Darin soll ebenfalls die Klimafolgenanpassung stärker als bisher berücksichtigt werden." Um auf konzeptioneller Ebene, aber ebenso bei konkreten Einzelprojekten gezielte planerische Vorgaben zu machen, solle der Gemeinderat noch im September die Anfertigung eines klimaökologischen Gutachtens für die Stadt beschließen. Darin würden die aktuellen und zukünftig zu erwartenden Klima-Rahmenbedingungen beschrieben und Handlungsempfehlungen, wie die bauliche Entwicklung angepasst werden solle, gegeben werden.
Den Gegensatz zwischen Nachverdichtung und Klimaschutz sieht Harald Krapp nur zum Teil: "Nachverdichtung kann durch die Versiegelung von Flächen zwangsweise einen negativen Einfluss auf das Stadtklima haben. Jedoch wird über eine gezielte und maßvolle Nachverdichtung erreicht, dass weniger Fläche im Außenbereich zersiedelt und versiegelt wird und dort stärkere negative Auswirkungen auf das Klima bewirkt." Es sei zu unterscheiden, ob Nachverdichtung auf bereits versiegelten Flächen stattfinde, wie bei einer Gewerbebrache, oder ob dafür bislang unversiegelte Flächen in Anspruch genommen würden.
Klimaschutzkonzepte in Offenburg
"An erster Stelle steht die Prävention", stellt der Leiter der Abteilung Stadtplanung und Stadtgestaltung, Leon Feuerlein, in Offenburg fest. "Der Offenburger Gemeinderat hat im Jahr 2012 ein Klimaschutzkonzept beschlossen. In vielen Bereichen werden seitdem Maßnahmen umgesetzt. Für das bisher Erreichte wurde Offenburg 2016 mit dem 'European Energy Award' ausgezeichnet."
Es sei genauso wichtig und notwendig neben dem Engagement im Klimaschutz, auf bereits eingetretene Klimaveränderungen zu reagieren.
"In der Stadtplanung sind vor allem Wetterextreme wie Hitzeperioden und Starkregenereignisse mit in die Planungsüberlegungen einzubeziehen", erklärt Feuerlein. So sollte Regenwasser möglichst weitgehend vor Ort zurückgehalten werden, so dass es nur gedrosselt in die Kanalisation abfließe und dort eine Überlastung vermieden werde. "Gründächer leisten hier gute Dienste", so Feuerlein. Freiflächen sollten möglichst wenig asphaltiert und versiegelt werden.
"Um einem Hitzestau entgegenzuwirken, ist es wichtig, Frischluftschneisen freizuhalten. In Offenburg ist hier vor allem der 'Kinzigtäler' von Bedeutung, also der Abendwind aus dem Kinzigtal. In den Landschaftsplan und Flächennutzungsplan sind diese Ziele eingeflossen", stellt der Stadtplaner fest. Es sei wichtig, Grünflächen in der Stadt zu erhalten und auszubauen, da diese als Kaltluftinseln wirkten. Bäume böten im Sommer Schatten und sollten daher sowohl im öffentlichen Straßenraum als auch auf privaten Grundstücken gepflanzt werden, durch begrünte Dächer könne mehr Grün in Baugebiete gebracht werden.
Offenburg sieht Leon Feuerlein unter diesen Aspekten auf einem guten Weg: "Im März 2017 hat der Gemeinderat Grundsätze zur Baulandentwicklung beschlossen. Er hat so, gestützt auf bisherige Erfahrungen, eine einheitliche Grundlage für künftige Baugebietsentwicklungen geschaffen." So seien zum Thema Klimaschutz und -wandel Grundsätze wie Energiestandard, Konzept zur Energieversorgung, Grün im Quartier, Dachbegrünung, Ausgleichsmaßnahmen sowie Entwässerung und Hochwasserschutz aufgestellt worden.
Als Beispiele nennt Feuerlein die Baugebiete "Seidenfaden" oder "Spinnereiareal" im Mühlquartier, wo solche Vorgaben berücksichtigt wurden. "Bei Neubaugebieten dauert es natürlich immer eine gewisse Zeit, bis die Begrünung abgeschlossen ist und zum Beispiel Bäume eine gewisse Größe erreicht haben", gibt Feuerlein zu Bedenken. "Beide Baugebiete werden sich in einigen Jahren wesentlich grüner darstellen als heute."
Vorgaben, die den Klimaschutz zum Ziel hätten, gälten in der Stadt nicht nur für Wohngebiete, sondern ebenfalls in Gewerbegebieten. "Auch die in Arbeit befindliche Bewerbung für die Landesgartenschau hat zum Ziel, mehr Grünflächen in der Stadt zu schaffen und so einen Ausgleich zur baulichen Entwicklung darzustellen", betont Feuerlein.
In Offenburg werde das Ziel verfolgt, durch die sogenannte Innenstadtentwicklung Baulandpotentiale innerhalb des bestehenden Siedlungskörpers zu erschließen und Flächen im Außenbereich zu schonen. Da der Bedarf an Wohnraum sehr hoch sei, müssten aber auch neue Baugebiete an den Stadträndern ausgewiesen werden. Innenstadtentwicklung sei im Sinne des Klimaschutzes, da die Wege kurz seien und gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden könnten. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass Grün- und Freiflächen in ausreichendem Umfang erhalten blieben und möglichst auch zusätzliche geschaffen würden.
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